Kunst über Neue Rechte: Völkische Zombies
Emma Adler inszeniert in ihrer Ausstellung bei Anton Janizewski Neue Rechte als gruselige Untote. Die Galerie ist für den VBKI-Preis nominiert.
Ein berühmtes Zitat zum Thema Zäune stammt von Jean-Jacques Rousseau: „Der erste, der ein Stück Land eingezäunt hatte und es sich einfallen ließ zu sagen,Dies ist mein, und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der wahre Gründer der bürgerlichen Gesellschaft.“ Der Genfer Philosoph schrieb den Satz im Jahr 1755 im zweiten Teil seines „Diskurses über die Ungleichheit“. Zäune sind immer Symbole von Macht. Sie markieren Eigentum, schaffen Ungleichheit, schützen das, was drinnen ist vor dem Draußen. Sie bilden Barrieren, grenzen ein und sie grenzen aus.
All das schwingt mit in der Ausstellung „STRG-Z“, die Emma Adler bei Anton Janizewski zur in dieser Woche beginnenden Berlin Art Week zeigt. Die Zäune, die die Künstlerin in der Galerie am Rosa-Luxemburg-Platz aufgebaut hat, sind aus Metall, 230 cm hoch und oben mit Spitzen versehen, so als ob sie unerwünschte Eindringlinge fernhalten sollen. Man kennt solche Umzäunungen von Fabrikgeländen oder Ähnlichem. Etwas Monströses haben sie, wenn man sie so von Nahem besieht.
Dass Adler mit ihrem Zaun jedoch eine Art Garten angelegt hat, machen verschiedene weitere im Raum verteilte Objekte deutlich. Wandleuchten beispielsweise, wie man sie außen am Eigenheim befestigt, damit man bei Dunkelheit nicht stolpert. Und Pflöcke aus unterschiedlichen heimischen Hölzern, die in Vorrichtungen an der Wand hängen. So wie man sie auch im Baumarkt finden könnte, nur ein wenig stärker angespitzt sind sie. Das reale Draußen ist von innen nicht zu sehen.
Die Fensterfronten sind mit einer Folie verklebt, die von der Straße aus einen rosa-violetten Abendhimmel zeigt. Kitschig könnte das wirken, wäre das Motiv nicht so stark vergrößert, die Pixel gleichen Bauklötzen. Vogelzwitschern begrüßt einen beim Betreten der Galerie. Tote Baumwurzeln sind auf dem Fußboden drapiert. Eine Idee von Natur wird hier suggeriert, die aber nichts Gutes zu verheißen scheint, eine von Heimat, bei der all das, was das Wort zum politischen Kampfbegriff gemacht hat, hineinschmeckt. Heimeliges und Unheimliches liegen bei Adler dicht beieinander, da ist sie nah bei Freud.
Gruselgenuss mit Spanferkel
Ausgangspunkt, so erläutert es die Künstlerin beim Treffen in der Galerie ein paar Tage vor der Eröffnung, sei ein Facebook-Post des AfD-Kreisverbandes Esslingen gewesen. Im März hatte dieser, parallel zum islamischen Fastenmonat Ramadan, zum „#Genussmonat“ aufgerufen und dazu ein KI-generiertes Bild einer Grillgesellschaft rund um ein glänzendes Spanferkel gestellt. Gar nicht mal allzu sehr heranzoomen musste man, um zu erkennen, wie entstellt die Gesichter der KI-generierten vermeintlich fröhlichen Runde aussahen. Offene Kiefer, furchige Nasen, leere Augenhöhlen.
Emma Adler
„Dass sie sich noch nicht einmal die Mühe gemacht haben, diese Fehler zu beseitigen!“, wunderte Adler sich. Und fand dann genau das sehr passend: „Die Zombies entlarven sich selbst“, sagt Adler. Eine Allegorie für die Rückkehr des Faschismus, fand sie darin. Nie wirklich weg war der offenbar, nur untot, wie Wiedergänger, wie Zombies eben. Andere Ereignisse des vergangenen Frühlings, die das Wiederaufflammen des Völkischen belegten, schoben sich mit ins Bild: die rassistischen L’amour-toujours-Gesänge auf Sylt an Pfingsten, die hinter Zäunen verborgene Sonnenwendfeier der Jugendorganisation der Partei Die Heimat im niedersächsischen Eschede.
Adler entwickelt ihre immersiven Installationen stets im Ausstellungsraum, aus dessen konkreten Bedingungen heraus. Das Video, das in „STR-Z“ zu sehen ist, drehte sie vor Ort, zwischen den Zäunen. Fünf Personen sind darin zu sehen, jung und schön, mit heller Haut und hellen Haaren sind sie – solange man sie nicht genauer ansieht. Sie tragen Kleidung in zarten Naturtönen, eine trägt einen Kranz weißes Schleierkraut im blonden Haar; einer einen über den Schultern verknoteter Pullover, wie die Schnösel auf Sylt. Szenen, in denen die Performer*innen mit ihren Smartphones durch die Gitterstäbe hinaus fotografieren, verweisen auf die Sonnenwende feiernden Jungen Nationalen, auf deren Zurück-Fotografieren der sie beobachtenden Reporter*innen.
Am auffälligsten aber sind ihre Gesichter. Sie sind den entstellten KI-Visagen aus dem Facebook-Bild nachempfunden. Nur, dass die verzerrten Gesichtszüge mit Theaterschminke aufgemalt und aufgeklebt sind. Digitale Störungen gibt es zusätzlich noch. Da stocken oder springen die Abläufe auf einmal, die Wurzeln verknoten sich zu knochenartigen Gebilden oder zum aufgespießten Schwein. Menschliche Glieder verzerren sich, wachsen in verquere Richtungen oder aus den falschen Körperteilen. Auch Adler arbeitete für diese Glitches mit einer KI, holte sich dafür Unterstützung von der Designerin Uliana Velgosh.
Fratzen hinter Glitches
Es ist eine doppelte Täuschung, eine deutliche Warnung vor dem, was sich hinter der oft harmlos erscheinenden, adretten Fassade der Neuen Rechten verbirgt: „Auch wenn die Glitches entfernt werden, bleiben darunter immer noch diese Fratzen“.
Das Gespräch in der Ausstellung findet einen Tag nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen statt. Sie sei mit dem Aufbau beschäftigt gewesen, aber die Hochrechnungen habe sie am Vortag dennoch verfolgt, sagt Adler. Es gehe ihr aber nicht nur um die AfD. „Es gibt ja noch mehr völkische Vereinigungen, die im Unterschied zur Linken leider sehr gut zusammenarbeiten. Und nicht zu vergessen die anderen Parteien, die nicht nur Sprache, sondern in Teilen gleich die Programmatik der AfD übernehmen. Kein Wunder also, dass rechtes Gedankengut immer weiter wuchert und sich tief in die Gesellschaft frisst.“
Was die Künstlerin an der AfD konkret interessiert, ist, wie es der Partei mithilfe einer Social-Media-Strategie gelingt, gezielt junge Menschen anzusprechen. In Sachsen und Thüringen ging die Rechnung auf, die AfD trumpfte insbesondere bei jungen Wähler*innen auf. In Thüringen hat die Partei 38 Prozent aller Stimmen der 18- bis 24-Jährigen geholt. Auch für die Filterblasen sozialer Netzwerke ist der Zaun eine Metapher.
„Emma Adler. STR-Z“: Anton Janizewski, bis 19. Oktober
Schon in der Gruppenausstellung „The Breath of a House is the Sound of Voices Within“, die im März in der Akademie der Künste zu sehen war, hatte Adler eine Installation präsentiert, in der sie mit einem AfD-KI-Bild arbeitete. Damals waren es Hände, die sich eine junge Frau vors Gesicht hält, mit merkwürdig verwachsenen Fingern. In der aktuellen Ausstellung finden sich diese Hände an einer Stelle wieder in einer Grafik. Sie mutet an, als stamme sie aus der Zeit kurz nach der Entwicklung des Buchdrucks – ein Verweis darauf, dass schon damals neue Technologien für menschenfeindliche Propaganda benutzt wurden.
Dopplungen und Doppelgänger
Emma Adler, geboren 1980 in Besch, studierte an der Kunsthochschule in Saarbrücken zunächst Performance und wechselte später nach Berlin an die Kunsthochschule Weißensee, wo sie sich auf Bildhauerei konzentrierte. Früh schon interessierte sie sich für Dopplungen, Doppelgängertum und das Verhältnis von Original und Fälschung. Zu Verschwörungstheorien und sich überlagernden, verschiedenen Realitätsebenen war es von dort nicht weit. Die Frage, wie Wahrnehmung bedingt, was für Wahrheit gehalten wird, treibt sie seitdem um.
Und umgekehrt. Welche Mechanismen in der digitalisierten Welt Verschwörungstheorien stärken, zur Radikalisierung derer, die an sie glauben, beitragen. Adler legte sich eine Sammlung von YouTube-Videos an, mit billigen Digitalkameras aufgenommenen vermeintlichen Beweisvideos für diverse krude Theorien. Dann kam die Covid-Epidemie, und das Thema drängte sich nach vorn. Viel zu real wurde es.
In einer Serie von drei Ausstellungen beschäftigte sich Adler mit selbsternannten Corona-Experten, die ihre Social-Media-Kanäle bespielten und Gefolgschaften generierten, die sich in der virtuellen Welt zusammen horteten und gegenseitig aufheizten. Zum Teil ließen sie Taten in der realen Welt folgen, die zeigten, dass „die Grenzen zwischen physischer und virtueller Welt immer dünner werden“. Adler arbeitete damals viel mit einer Ästhetik, die man aus Videospielen kennt, baute diese jedoch in physischen Fake-Materialien nach, mit PVC und Tapetenmustern. „Das hat mich immer schon gereizt: Dinge, die falsch aussehen, aber eigentlich echt sind.“
„STR-Z“ ist die erste Einzelausstellung der Künstlerin bei Anton Janizewski. Aufmerksamkeit hat sie damit schon gleich erregt. Die Galerie im Jahr 2019, damals noch in einer Charlottenburger Altbauwohnung eröffnet, ist mit der Schau für den VBKI-Preis Berliner Galerien nominiert. Am Freitag wird der Preis auf der Kunstmesse „Positions“ vergeben.
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