Kunst auf Abstand: Ein Hoch auf die Fenster
Auf Spaziergängen kann man oft immerhin von außen in die Galerien hineinspähen. Am Sonntag könnte sich das in Berlin besonders lohnen.
E rstaunlich rege ist der Galeriebetrieb, obwohl ja eigentlich keiner die Ausstellungen besuchen kann, die da hängen oder sogar neu eröffnet werden. Zumindest nicht physisch. Aus der Nähe, durchs Fenster gucken ist freilich erlaubt. Die Galerien, die Schaufensterfronten und Räumlichkeiten im Erdgeschoss haben, sind da klar im Vorteil, der Rest braucht etwas mehr Kreativität.
Auch die Initiative „Sunday Open“ verharrt nicht im Winterschlaf. Am kommenden Sonntag folgt die lockdowntaugliche Variante des sonntäglichen Kunstbummels. Unter dem Motto „Lights On!“ laden die beteiligten Galerien zwar nicht in die eigenen Ausstellungsräume ein, aber immerhin in den Außenraum davor. Charlottenburger Spaziergänger*innen etwa können bei Wentrup nicht nur die Arbeiten Olaf Metzels durch die Scheiben betrachten, sondern dort auch per Smartphone und QR-Code eine Führung mit dem Künstler durch die Schau laden. In Kreuzberg nutzt die Galerie Klemm's, die Fassade zur Prinzessinnenstraße als Untergrund für Renaud Regnerys Installation „Oktopentapus“. Alle Teilnehmer*innen sind online vermerkt. Die Liste soll bis zum Wochenende noch wachsen: www.indexberlin.com/lights_on.
Die Großmutter erinnern
Die Lichter an trotz verschlossener Türen sind auch in der Kreuzberger Galerie Blake & Vargas. Seit vergangener Woche hängen dort Bilder der Malerin Agne Juodvalkyte. Juodvalkyte, die aus Litauen stammt, und in Berlin und Vilnius lebt, hat sie allesamt in den vergangenen acht Monaten angefertigt, in einem aufwendigen Prozess, bei dem die Künstlerin Techniken der Malerei mit solchen der Textilfärberei kombiniert. Ihr Zugang zu beidem ist ein recht körperlicher, intuitiver. Oft schon hat sie mit besonderen Stoffen gearbeitet, mit Kleidungsstücken ihrer Großmutter oder Geweben, die für traditionelle litauische Textilien benutzt werden, diese dann mit Pflanzen eingefärbt und mit handgemachten Farben und natürlichen Pigmenten in großen Gesten bemalt. Schicht um Schicht, quasi im Dialog mit dem Material.
Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.
Blake & Vargas, bis 26. 2., Reichenberger Str. 72
68Projects, bis 27. 2., Fasanenstr. 68
Für die hauptsächlich großformatigen Arbeiten, die ihre nach dem litauischen Kosewort „Anska“ betitelten Ausstellung ergeben, hat Juodvalkyte dafür auf Leinwand aus dem Malereibedarf zurückgegriffen und diese auf Rahmen gespannt. Ein wenig zurückhaltender wirken diese daher, passend für die aktuell so stille Zeit. Ihre poetischen Gedankenlandschaften seien, wie es heißt, von ihren Erinnerungen an ihre Großmutter inspiriert. Ein Jammer ist es, nicht direkt vor ihnen stehen zu können, aber vielleicht klappt das ja noch bis zum Ende der Laufzeit der Schau.
Störfeuer im Camping-Glück
Erinnerungen spielen auch in der Ausstellung von Paris Giachoustidis eine Rolle, die aktuell bei 68 Projects durch die Scheibe oder virtuell zu sehen ist. Bei ihm sind es Erinnerungen an den vergangenen Sommer, den Giachoustidis offenbar pandemiekonform auf Campingplätzen in deutschen Urlaubsregionen verbracht hat.
Seine Sujets könnten als Postkartenmotiven durchgehen, wären da nicht jene Störfeuer, die der junge Maler eingefügt hat. Mal brennt es da tatsächlich, es blitzt oder kracht. Die hübsche Ferienidylle wird brüchig, der etwas zu bunt geratene Lack blättert ab, etwas Bedrohliches scheint aufzuziehen. Womöglich ist daheim zu bleiben, doch gar nicht so verkehrt?
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