Kultursenatorin Kisseler über ihre Baustellen: "Ich finde diesen Umgang anstrengend"
Die Kommunikation mit Elbphilharmonie-Baukonzern Hochtief bleibt schwierig. Auch die übrigen Baustellen von Kultursenatorin Barbara Kisseler sind ein Jahr nach Amtsantritt kaum abgearbeitet
taz: Frau Kisseler, in puncto Elbphilharmonie steht die Stadt permanent als Hanswurst da, der von Hochtief öffentlich vorgeführt wird. Was tun Sie, um Ihr PR-Konzept zu verbessern?
Barbara Kisseler: Um es ganz deutlich zu sagen: Ich richte hier keine PR-Abteilung ein, die den Zweck hat, das Projekt Elbphilharmonie besser zu verkaufen, als es ist. Bei Hochtief mag das anders sein, das kann ich nicht beurteilen.
Hochtief scheint die Medien gezielt mit Informationen zu füttern, die die Stadt ins schlechte Licht rücken.
Wir haben uns in der Tat manches Mal gewundert, wie bestimmte Dinge, die ich gerade mit der Hochtief-Leitungsebene vereinbart hatte, zwei Tage später konterkariert wurden durch eine anders lautende veröffentlichte Aussage.
Wie haben Sie reagiert?
Weil ich uns für Vertreter einer mitteleuropäisch-höflich orientierten Gesellschaft halte, kläre ich interne Probleme auch intern.
Behagt Ihnen dieses Spiel?
Ich muss sagen, dass ich diese Form des Umgangs ziemlich anstrengend finde. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass steter Tropfen den Stein höhlt. Und man muss sich durch schlechtes Benehmen anderer nicht animiert fühlen, sich gleichfalls schlecht zu benehmen.
62, Theaterwissenschaftlerin, ist seit 23. 3. 2011 Kultursenatorin in Hamburg. Zuvor war sie Chefin der Berliner Senatskanzlei sowie, davor, Staatssekretärin für Kultur. Außerdem ist sie Honorarprofessorin am Studiengang Kulturarbeit der Fachhochschule Potsdam.
Sprechen wir über die Museen. Bei Amtsantritt haben Sie sinngemäß gesagt: Falls die Kunsthalle ihr Defizit nicht selbst abbauen kann, werden wir daran etwas ändern. Warum tun Sie es nicht?
Weil die Kunsthalle im Moment mit den zur Verfügung gestellten Mitteln auskommt. Sie hat 2011 eine schwarze Null geschrieben und ihr Defizit-Problem gelöst. Und die Tatsache, dass die Galerie der Gegenwart wieder eine Kuratorin hat und die Stelle des Geschäftsführers ausgeschrieben ist, zeigt: Das Haus ist auf einem guten Weg.
Vorigen Sommer sind Sie selbst von der SPD vorgeführt worden: Zwei Tage, nachdem Sie im Kulturausschuss für den Erhalt der Stiftung Historische Museen plädiert hatten, forderte die SPD die Herauslösung des Helms-Museums. Kurz darauf fanden Sie das dann auch in Ordnung. Warum?
Um es noch mal kurz richtigzustellen: Die inzwischen avisierte Fokussierung der Stiftung auf die drei großen Häuser – Museum der Arbeit, Museum für Hamburgische Geschichte und Altonaer Museum – widerspricht im Kern nicht der Idee, eine schlagkräftige Stiftung aus diesen Häusern zu machen. Unsere interne Kommunikation hätte damals allerdings klüger ablaufen können.
Derzeit erarbeiten vier AGs die Neuprofilierung der Stiftung. Lautet der Arbeitsauftrag immer noch, wie unter Karin von Welck: Erstellt ein gemeinsames Profil und profiliert zugleich die einzelnen Häuser?
Nein. Sie sollen kein gemeinsames Profil erstellen. Sie sollen die Gesamtstiftung mit den Möglichkeiten, die diese Struktur bietet, was organisatorische Verbesserungen und die gemeinsame Nutzung von Ressourcen angeht, wahrnehmen.
Und inhaltlich?
Sollen die Häuser die Geschichte der Stadt erzählen. Sie sollen überlegen, welche Aspekte Hamburger Geschichte die jeweiligen Häuser erzählen können.
Aber dies ist ja nicht der erste Versuch, diese Museen aufzupeppen. Bislang sind alle Anläufe gescheitert; inhaltlich und didaktisch hat sich nichts geändert. Woran liegt das?
Daran, dass man lange versucht hat, von außen eine Lösung für Probleme zu finden, die im Innenleben der Stiftung liegen.
Sie meinen die „Expertenkommission“ ihrer Vor-Vorgängerin Karin von Welck.
Zum Beispiel. Ich unterschätze nicht die Beratungsindustrie der Bundesrepublik. Aber ich finde es überzeugender, wenn die Mitarbeiter der Häuser selbst die Situation analysieren, um dann die eigene Rolle zu definieren. Das bedeutet eine andere Identifikation und eine andere Verantwortung.
A propos Verantwortung: Warum dient sich die Kulturbehörde immer noch dem AKW-Konzern Vattenfall an, indem sie dessen Lesetage unterstützt?
Ach, manchmal wünsche ich mir etwas mehr Gelassenheit in der kulturpolitischen Diskussion. Ich finde, man muss in Rechnung stellen, dass Vattenfall sich seit vielen Jahren in dieser Form engagiert und dies immer als Bestandteil ihrer Unternehmensphilosophie verstanden hat. Und die Kooperation bei den Lesetagen bedeutet nicht, dass man jede umweltpolitische Tat des Konzerns unterstützt.
Dann gibt es ja noch die ab 2013 geplante Kulturtaxe. Wie wollen Sie gewährleisten, dass sie für Kulturprojekte ausgegeben wird statt für Musicals?
Wo Kulturtaxe draufsteht, muss auch Kultur drin sein. Ich gehe derzeit davon aus, dass wir den überwiegenden Teil für kulturelle Zwecke, die unseren inhaltlichen Kriterien entsprechen, verwenden können. Zumal die Taxe Hamburg auch nach draußen kulturtouristisch attraktiver machen soll. Das geht aber in der Regel eher mit hochwertigen, ästhetisch herausragenden Angeboten als mit oberflächlichen Events. Dass darüber hinaus ein kleiner Teil des Geldes für die Verbesserung von Marketing-Strukturen verwandt wird, finde ich in Ordnung.
Vor einem Jahr haben Sie gesagt, Sie wollten das Ungleichgewicht zwischen Hoch- und Subkultur verringern. Wie weit sind Sie da gekommen?
Einerseits gehen wir wieder konstruktiv miteinander um. Zudem haben wir die neuen Förderrichtlinien für die freien Theater umgesetzt, die die Szene von unsinnigen Vorgaben wie dem Eigenanteil bei Anträgen für Produktionsförderung befreit. Und wir haben der freien Künstlerszene 2011 rund 7.000 Quadratmeter Fläche zur Zwischennutzung zur Verfügung gestellt. Derzeit erarbeiten wir ein Konzept für den Verbleib des Frappant in der Viktoria-Kaserne.
Sprechen wir vom derzeit heiß diskutierten Buch „Kulturinfarkt“, in dem gefordert wird, die Hälfte aller Kulturinstitutionen zu schließen. Was könnte die Autoren getrieben haben?
Ich vermute, sie wollten provozieren. Die Autoren haben vermutlich jahrzehntelang versucht, den gesellschaftlichen Sinn von Kultur zu vermitteln und sind damit nicht angekommen. Da haben sie irgendwann wahrscheinlich entnervt gesagt: Jetzt leisten wir uns mal die Umkehr-Provokation.
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