: Kultursenator muss in Klausur gehen
Kaum durfte die Creme der Opernszene über Stölzls Reform reden, musste der Senator den Rückzug antreten
Am Ende stand alles wieder auf Start. Zwei Wochen nach seiner Ankündigung, die Staatsoper Unter den Linden und die Deutsche Oper zu vereinen, musste Christoph Stölzl den Rückzug antreten. Nicht der Kultursenator entscheidet nun über die Zukunft der Berliner Opern, sondern ein illustrer Kreis aus Intendanten, Expolitikern und Bedenkenträgern.
Siebzehn Experten, darunter die Intendanten Sir Peter Jonas (München) und Alexander Pereira (Zürich) sowie Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher waren am Freitagabend im Großen Sendesaal des SFB zusammengekommen, um Stölzls Fusionspapier auseinander zu nehmen. Am bissigsten formulierte Jonas: „Zum ersten Mal seit der Reichsmusikkammer versucht der Staat, die Kunst zu gängeln, indem er den Häusern vorschreibt, wer welche Stücke zu spielen hat.“ Jonas bezog sich damit nicht nur auf die Fusionspläne, sondern auch Stölzls Vorschlag, das Repertoire unter den drei Bühnen aufzuteilen. Auch Genscher meinte in seiner Funktion als Vorsitzender des Fördervereins der Staatsoper, die Politik dürfe sich niemals inhaltlich in die Kultur einmischen.
Weitaus weniger angriffslustig zeigten sich die Stölzl-Kontrahenten in Sachen Finanzierung dreier Opernhäuser. Zwar warf der Zürcher Intendant Pereira dem Kultursenator vor, mit keinem Wort mögliche Mehrerlöse für die Opernhäuser ins Auge gefasst zu haben. Stölzl sah die Lage jedoch realistischer: Sein Papier sei eine Alternative zur Schließung eines der drei Opernhäuser. Bis zum Jahr 2004 würden die Opernhäuser ein Defizit von insgesamt 58 Millionen Mark angehäuft haben.
Doch aller Realismus half am Ende nichts. Nachdem Sir Peter Jonas Stölzl eingeladen hatte, auf einer Klausursitzung „von zwei, drei oder sogar vier Tagen“ die Opernpläne zu überarbeiten, musste der sonst so eloquente Senator kleinlaut zustimmen.
Stölzls Gang in die Klausur war allerdings nicht der einzige Theaterdonner vom Wochenende. Vor dem Opernplenum hatte Staatsopernintendant Georg Quander bekannt überraschend bekannt gegeben, sein Haus wolle die Ära von Daniel Barenboim im Sommer 2002 mit einen Überschuss in Höhe von 6,5 Millionen Mark beenden. Sollte Barenboim danach nicht mehr zur Verfügung stehen, werde sich die Einnahmesituation deutlich verschlechtern. WERA
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