Kulturpolitik in der sächsischen AfD: Der Beginn eines Kulturkampfes
Die Kulturpolitik der AfD in Ostdeutschland ist von klaren patriotischen Interessen geleitet. Gleichzeitig zeugt sie von wenig Kompetenz.
Durch alle kulturpolitischen Äußerungen der AfD zieht sich die Forderung nach einer „ideologiefreien“, strikt neutralen und entpolitisierten Kunst, einer abstrakten „l’art pour l’art“. Karin Wilke beispielsweise, kulturpolitische Sprecherin der AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag, vergleicht die heutige Situation mit der Rolle der Kunst im 20. Jahrhundert, als sie die Fesseln der bürgerlichen Gesellschaft sprengte. Jetzt müsse man analog die wahre Kunstfreiheit wieder erkämpfen, indem man sie „aus dem Leid linker Indoktrination befreit“.
Jedes Eintreten für die Würde aller Menschen, für die im Artikel 5 des Grundgesetzes garantierte Kunstfreiheit gilt als politisch einseitige und linke Positionierung. (Eine solche Auffassung kollidiert mit einer Erklärung der Kulturminister der Länder vom 13. März dieses Jahres. „Es ist das Recht künstlerischer Arbeit, gesellschaftspolitische Fragen zu reflektieren und Position zu beziehen“, heißt es darin.)
Mit der Forderung nach Entpolitisierung kaschiert die AfD nur mehr oder weniger geschickt das Streben nach eigener kultureller Hegemonie. Niemand verlangt auf plumpe Weise wieder eine Reichskulturkammer. Aber wohin es gehen soll, zeigte bereits das Landtagswahlprogramm 2016 der AfD Sachsen-Anhalt. „Museen, Orchester und Theater sind in der Pflicht, einen positiven Bezug zur eigenen Heimat zu fördern“, hieß es damals.
Auch das Kommunalwahlprogramm der Dresdner AfD 2019 betont den Zusammenhang von Kultur und Identität. Im dünnen Kulturteil des Landtagswahlprogramms Sachsen 2014 stach die Denkmalpflege heraus, also die retrospektive Orientierung der AfD. Das am 1. Juni verabschiedete Wahlprogramm 2019 des sächsischen Landesverbandes ist immer noch nicht im Internet nachlesbar.
Mangelnde kuturpolitische Kompetenz
Der AfD mangelt es für die Aufstellung solcher Postulate indessen weitestgehend an kulturpolitischer Kompetenz. Diejenigen, die im Dresdner Wahlprogramm beispielsweise die „aufwendige Förderung von randständigen Minderheitenprojekten“ kritisieren, sind bei den entsprechenden Aufführungen oder Vernissagen in der Regel nicht zugegen. Die Inkompetenz führt zu sachlichen Fehlern, wenn von einem angeblichen Ensemble am Festspielhaus Dresden-Hellerau gesprochen wird.
Karin Wilke und ihr Mitarbeiter Thomas Hartung, ein promovierter Germanist, sind die einzigen auf Kunst und Kultur ansprechbaren Abgeordneten und ernst zu nehmenden sächsischen Landesverbandsmitglieder. Sie sind in diesem Landesverband weitgehend isoliert, wurden auf hintere Plätze der Landesliste durchgereicht. Sehr dürftig fallen Passagen in den Wahlprogrammen aus. „Die Kulturpolitik wird in der AfD sekundär behandelt“, drückt es Thomas Hartung milde aus.
So sind möglicherweise auch die ins Auge springenden Widersprüche in den Äußerungen zu erklären. Das von Hartung maßgeblich geschriebene Landtagswahlprogramm 2014 wettert einerseits gegen einen „normierten und nach reinem Verkaufswert zusammengezimmerten Kulturbegriff“ und gegen „formatierte und hoch-manipulativen Produkte von Privatradio, Musikindustrie oder serieller Seichtbelletristik“.
Gegen öffentlich-rechtliche Medien
Auf der anderen Seite verlangt die AfD nicht nur die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sondern auch die Abkehr von einem „Verordnungsstaat, der durch Fördermittel und Auszeichnungen in die Kulturproduktion eingreift“. Kultursprecherin Wilke definiert erstaunlicherweise Kunst als „die Entdeckung des Neuen und Unbekannten“. Zugleich gebiete „schon der gesunde Menschenverstand“, dass das Kunstzentrum Hellerau, wo genau dieses Experiment seinen Platz hat, „nicht förderungswürdig ist“.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Aus dem Kulturverständnis des Dienstes an der nationalen Sache folgt hingegen logisch, dass die AfD der Soziokultur und allen Initiativen, Vereinen und Programmen die Förderung streichen will, hinter denen sie den altbösen kommunistischen Feind wittert. Entsprechende Anträge sind schon in den Landtag eingebracht worden. In Leipzig sieht sich die Freie Szene Extremismus-Vorwürfen der AfD ausgesetzt, die ihr die Gelder kappen will.
Was die AfD wirklich von einer offenen Debatte hält, demonstrierte sie anlässlich einer Diskussion zum Vordringen rechtspopulistischer Kreise in die Kirchen am Theater Freiberg. Nachdem AfD und eine rechte Facebook-Gruppe gegen die Veranstaltung polemisiert hatten, untersagten die städtischen Gesellschafter des Theaters künftig politisch intendierte Veranstaltungen dieser Art.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern