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Kürzungen von Entwicklungsgeldern„Reparationen sind keine Großzügigkeit“

Entwicklungszusammenarbeit zwischen Regierungen muss demokratischer werden, sagt die philippinische Aktivistin Jennifer Del Rosario Malonzo.

Blick über die Hauptstadt der Philippinen, Manila Foto: imago
Interview von Josefine Rein

taz: Die USA, Deutschland: Immer mehr Industrieländer kürzen ihre Gelder für Entwicklungszusammenarbeit. Wie wirkt sich das auf Ihre zivilgesellschaftliche Arbeit im Globalen Süden aus?

Jennifer Del Rosario Malonzo: In unserer Arbeit setzen wir uns für eine Transformation der Entwicklungszusammenarbeit ein. Es ist ironisch, dass die Krise der jetzigen Entwicklungsfinanzierung unsere Möglichkeiten, ein besseres und gerechteres Finanzierungssystem aufzubauen, untergräbt.

Bild: privat
Im Interview:  Jennifer Del Rosario Malonzo

leitet IBON International. Die Nichtregierungsorganisation sitzt auf den Philippinen und stärkt zivilgesellschaftliche Stimmen aus dem Globalen Süden in internationalen Debatten zu Entwicklung.

taz: Was ist das Problem bei der Entwicklungszusammenarbeit zwischen Nord und Süd?

Malonzo: Die öffentliche Entwicklungshilfe wurde lange Zeit als Akt der Wohltätigkeit dargestellt. Weil es sich um ein freiwilliges Geschenk handelt, ist es auch abhängig von den politischen Launen der jeweiligen Regierungen im Norden. Schlimmer noch: Die Entwicklungshilfe wird als Zuckerbrot benutzt. Im Gegenzug werden Länder des Südens oft zu politischen Maßnahmen gedrängt, die den wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen des Nordens dienen. Deswegen fordern wir einen grundlegenden Wandel der Entwicklungszusammenarbeit.

Geld für Entwicklung

In Sevilla diskutieren die Vereinten Nationen über Investitionen, Steuern, Schulden und Strukturen – zum ersten Mal seit zehn Jahren gibt es wieder eine UN-Konferenz zu Entwicklungsfinanzierung. Die taz ist vom 30.6. bis 3.7. vor Ort.

taz: Wie sieht dieser Wandel aus?

Malonzo: Zuerst sollten wir Geldflüsse als Ausdruck von Solidarität und als Wiedergutmachung einer historischen Schuld verstehen. Reparationen sind keine Großzügigkeit, sie sind eine Verpflichtung. Entwicklungszusammenarbeit muss demokratisiert werden. Aktuell entscheiden die OECD, die Regierungen des Nordens, wie die Mittel ausgegeben werden. Die Steuerung der Entwicklungshilfe sollte stattdessen bei den UN verankert sein, wo alle Staaten vertreten sind. Demokratisierung heißt auch, dass nicht nur Regierungen, sondern auch zivilgesellschaftliche Organisationen und Parlamente in Entscheidungsprozesse mit einbezogen werden.

taz: Sie selbst waren auf der Konferenz für Entwicklungsfinanzierung in Sevilla vergangene Woche. Sie wird von den UN ausgerichtet. Haben Sie als zivilgesellschaftliche Stimme aus dem Globalen Süden dort mehr Mitsprache?

Malonzo: Als zivilgesellschaftliche Organisation sind wir eingeladen, uns zu beteiligen – aber die Entscheidungen treffen letztlich die Regierungen. Wir können unsere Positionen deutlich machen, doch die Regierungen können jederzeit entscheiden, wann sie uns das Mikrofon abstellen. Im Vorfeld der Konferenz haben wir uns beispielsweise dafür eingesetzt, dass sich die Länder des Nordens verpflichten, 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandprodukts für Entwicklungshilfe auszugeben – versprochen wurde das bereits in den 1970er Jahren. Unsere Forderung wurde leider nicht gehört.

taz: Im Gegenteil, die Gelder werden reduziert. Gleichzeitig rücken ausländische Privatinvestitionen stärker in den Fokus.

Malonzo: Multilaterale Entwicklungsbanken wie der Internationale Währungsfonds und die Weltbank drängen auf eine stärkere Einbindung privater Finanzmittel in öffentlichen Sektoren wie Gesundheit und Bildung. Das verschlechtert und verteuert die öffentliche Versorgung der Bevölkerung. Das trifft besonders die Armen.

taz: Haben Sie ein Beispiel?

Malonzo: Auf den Philippinen haben wir das beim öffentlichen Nahverkehr erlebt. Ausländische Investoren finanzierten den Ausbau, die Bevölkerung muss nun aber immer höhere Ticketpreise zahlen. Gleichzeitig subventioniert der Staat den Betrieb mit Steuergeldern, damit die Investoren ihre Kredite zurück erhalten. Die Bevölkerung zahlt also doppelt.

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11 Kommentare

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  • Die Entwicklungshilfe hat allzu oft zu Entwicklungshilfe-Industrieruinen geführt, allzu oft haben sich die Regierungen der Länder daran bereichert, anstatt der Bevölkerung wirksam zu helfen. Knebelverträge in Handelsabkommen und IWF tun ein Übriges, um Entwicklungshilfe zum Gewinn für Industrienationen zu machen.



    Echte Reparation wäre angesichts der Rohstoffausbeutung insbesondere in Afrika durchaus angebracht.



    Mit Moral hat das weniger zu tun, eher mit Bekämpfung von Fluchtursachen.

    • @aujau:

      Eine echte Wiedergutmachung in ausgebeuteten, afrikanischen Ländern sieht wiefolgt aus: Unbegrenztes Asyl.

      Imperialismus hat die Dritte Welt kaputt gemacht, kein Geld der Welt kann das je wieder ausgleichen, also sollen Menschen aus der Dritten Welt das bekommen, was ihnen hier in Deutschland zusteht: Wohlstand und Menschenrechte.

      • @Troll Eulenspiegel:

        Das wiederum würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich nicht nur die Empathiefähigkeit der derzeitigen hiesigen Bevölkerung, sondern auch den Sozialstaat insgesamt zu Fall bringen und damit insgesamt zu Rückschritt/ Rechtsruck/ Entsolidarisierung führen. Nicht die praktikabelste Lösung.

        • @Moira:

          Unwahrscheinlich und irreführend, weil es sich um Menschen handelt.

          Egal, ob 80 Millionen Deutsche oder 70 Millionen plus 10 Millionen Flüchtlinge.



          Wenn das Sozialsystem wegen zuvielen Menschen kollabiert, dann auch wenn es keine Flüchtlinge mehr in Deutschland gibt.

          Sollte es doch eine Grenze geben, müssten wir ab einer bestimmten Zahl an Menschen Autokratien einführen, und das kann nicht das weltweite Ziel sein.

    • @aujau:

      Ganz genau, es gilt, Fluchtursachen zu bekämpfen! Das ist kein vorrangig moralisches, sondern (nicht zuletzt mit Blick auf die Zukunft) v.a. ein pragmatisches Postulat. "Mutti" Merkel hat es bereits gefordert, aber gschehen ist seither nücks. Dann müsste ggf. auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung spürbar konzeptuell und finanziell aufgewertet werden. Stattdessen dümpelt es dahin, mit vergleichsweise mickerigem Budget. Die Push-Faktoren bei der Migration reduzieren! Nach UNO-Angaben bereits über 100 Mio. Menschen auf der Flucht. Wo soll das hinführen?

    • @aujau:

      Echte Reparation würde nur zu weiteren Bereicherungen der dortigen Regierungen führen. Warum sollte etwas bei diesen Zahlungen anders sein ?

  • Und weshalb sollten Geber (egal ob öffentlich oder privat) diesen Forderungen zustimmen?

    Auf welcher Grundlage sollte beispielsweise Deutschland Reparationen an Philippinen zahlen?

    • @DiMa:

      "Und weshalb ... Auf welcher Grundlage ...?"



      Dieselbe Begründung wie eigentlich immer: weil die empfangende Seite das Geld haben will.



      Genau wie die zahlende Seite das Geld eigentlich lieber nicht zahlen will.



      Eigeninteressen, die sich ausgleichen müssen. Das ganze Moralisieren ist dabei nur ein Werkzeug.

      • @Encantado:

        Am Ende des Tages ist Entwicklungshilfe lediglich ein Instrument zur Subventionierung der eigenen Wirtschaft. Nur wer neue und bessere Maschinen braucht und sie sich leisten kann, wird diese Maschinen auch bestellen. So oder So wird die heimische Wirtschaft davon profitieren.

  • "Zuerst sollten wir Geldflüsse als Ausdruck von Solidarität und als Wiedergutmachung einer historischen Schuld verstehen. Reparationen sind keine Großzügigkeit, sie sind eine Verpflichtung."

    Aha.



    Wer stellt dann die Schuld und die angemessene Höhe der Reparationen fest, die dann von einzelnen Staaten verpflichtend zu zahlen sind?



    Werden dann bereits geleistete Zahlungen verrechnet?

    Ich glaube nicht, dass man mit dieser forschen Argumentation zum Ziel kommt.

    • @Katharina Reichenhall:

      "Ich glaube nicht, dass man mit dieser forschen Argumentation zum Ziel kommt."



      Kommt auf das Ziel an. Die moralische Überlegenheit ist damit ja dann (zumindest im Selbstbild) gewährleistet, das reicht vielen schon.