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Künstliche Intelligenz in der MusikVielleicht komponiert die KI besser

Schon lange verbindet sich in der Musik menschliches Schaffen mit maschineller Hilfestellung. Warum sollen dann nicht auch KI-Werke preiswürdig sein?

Ohne Autotune kein Hit, aber auch im Folk und in der Klassik geht kaum etwas ohne Equalizing und Hall Foto: imago

B reaking News: Handgemachte Musik ist gar nicht handgemacht! Sie wird in Wahrheit von den Membranen in der Lautsprecherbox erzeugt. Die Membranen werden wiederum von Stromstößen getriggert, die ein Verstärker oder ein Abspielgerät abgesendet hat. Diese Apparate tun das, weil ein Medium – Datei, Tonträger – ihnen den Befehl dazu gegeben hat.

Der Weg zu den Händen ist noch immer weit. Er führt uns schließlich in ein Studio, in dem Klänge erzeugt und fixiert werden. Werden sie via Musikinstrumente erzeugt, sind wir schon fast bei den Händen. Aber dazwischen steht noch mal ein gewichtiger Schritt: Der von Händen auf dem Instrument erzeugte Schall wird über Mikrofone oder Direktabnahmesysteme ins Mischpult geleitet, wo ihm nicht selten erhebliche Gewalt angetan wird.

Die Charakteristik des Frequenzgangs, die Tonhöhen und die Räumlichkeit werden mitunter so drastisch verändert, dass sich der handgemachte Klang im Spiegel nicht wiedererkennen würde. Aber Hände sind ohnehin überbewertet: Nicht sie denken sich Musik aus, das macht irgendein in einem Schädelknochen gut abgesichertes Brain. Wenn es die Hände zum Erfüllungsgehilfen bestimmt – okay. Es kann aber auch anders.

Ich beschreibe diesen eigentlich bekannten Prozess, um mein Kopfschütteln zu erklären angesichts der Abwehrhaltung gegenüber vermeintlicher KI-erzeugter Musik. Manche glauben gar, KIs seien Aliens, die plötzlich von irgendwoher gekommen sind und nun den Laden übernehmen wollen. Dabei sind es doch wir, die sie nicht nur gerufen, sondern – weil sie nicht gleich gekommen sind – eben in der Garage selbst zusammengelötet haben. Nun soll alles schlecht sein?

Wie wir oben gesehen haben, gibt es (auch) in der Musik keine Reinheit. Menschliches Schaffen verbindet sich mit maschineller Hilfestellung. Ohne Autotune kein Hit, aber auch im Folk und in der Klassik geht kaum etwas ohne Editieren, Equalizing und Hall. Es gibt keine reine, menschliche Musik, die KI-Aliens nun ruinieren könnten (oder, noch schlimmer: das Copyright für sich beanspruchen wollen).

Dennoch beeilte sich die „Recording Academy“, die US-Behörde, die jährlich die Grammys verleiht, zu versichern, dass KI-Gesang und KI-Kompositionen nicht preiswürdig seien. Lediglich dann, wenn ein*e mensch­li­che*r Schöp­fe­r*in „am Steuer sitzt“, so erklärte es Recording-Academy-CEO Harvey Mason Jr. dem Magazin Rolling Stone, könne ein Werk ausgezeichnet werden. Heißt: Wenn ein*e mensch­li­che*r Per­for­me­r*in eine KI-Komposition singt, kann diese Performance preisgekrönt werden, nicht jedoch die Komposition. Auch wenn’s ein Killersong ist.

Doof, oder? Und ungerecht. Vor allem aber: gegen das Publikum. Denn trotz allen von unterschiedlichsten Stimmen geäußerten leidenschaftlichen Bekenntnissen zu Manufactum-mäßig handgemachter Musik aus alten Reben: In Wahrheit will das kaum jemand hören. Menschlich ist ja ganz nett, aber zu limitiert und fehleranfällig.

Fängt man an, die Fehler nachträglich zu berichtigen und tausendmal gehörte Instrumentalsounds aufzuhübschen, landet man schnell bei Maschinentools, die Fehler gar nicht erst begehen und eine Zillion klanglicher Möglichkeiten bieten. Da bringt die Arbeit gleich viel mehr Spaß! Und das Publikum? Liebt es! Denn unmenschliche Perfektion ist ohnehin das von vielen Menschen angestrebte Ideal, in der Kunst wie bei den eigenen Alltagsperformances bis zum Aussehen.

Mal davon abgesehen, dass KIs am selben Fundus auffindbarer Musikaufnahmen trainiert werden, aus dem je­de*r menschliche Schöp­fe­r*in die Inspiration zieht – geht es nicht auch um Fortschritt? Wäre es nicht superspannend, KIs an komplett unkompatiblen Kombinationen zu trainieren (nur mal so als Beispiel)? Könnten sie nicht reihenweise unsichtbare Barrieren einreißen und uns ein paar entscheidende Fußtritte verpassen, die uns zurück auf den Weg nach vorne bringen?

Aber vielleicht hat die Recording Academy auch nur Angst vor der Dankesrede, in der ein C-3PO auf die Bühne stakst und sich mit vor Gerührtheit brechender Stimme bei den Drähten, Halbleitern, Watts und Volts bedankt, die seine preisgekrönte Performance erst möglich gemacht haben.

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11 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Allein die Überschrift ist schon grotesk.



    Beethoven und Co. würden sich im Grab rumdrehen. Was für ein Schmarrn!

    „KI“: jemals gefundene beste Abkürzung für „Kein Interesse!“

  • Ob Texte, Bilder oder Musik: KI produziert Durchschnitt, das Vorhersehbare: So ist sie gemacht. Das eigentlich Unheimliche ist daher eher, dass viele Menschen, die kreativ schreiben, malen, Songs schreiben, genauso funktionieren: Vorhersehbares aus dem schaffen, womit sie vorher gefüttert wurden - und gerade das kommt oft gut an.

  • Ist doch eine schöne Sache, auf diesem Feld mit KI zu experimentieren und zu sehen, was dabei herauskommt. Da kann durchaus Kreatives rauskommen. Bei der Erzeugung von darstellender Kunst, gibt es ja bereits hochinteressante Ergebnisse. Da kommt auch niemand zu schaden, außer vielleicht das Ego von ein paar konventionellen Musikern und Komponisten.

  • Oh je. Was hat denn Klangbearbeitung mit "KI" zu tun? Was ist an "KI" intelligent oder neuerdings sogar kreativ? Demnächst dann auch noch emotional, in der Premium-Version. Dass es eine Million Stücke gibt, von denen es 100 in die Charts geschafft haben, und deren Muster soll die "KI" auf neue Stücke zu übertragen, nur schneller, als das bisher schon der Fall war? Bei denen, die Retortenpop als Schwerpunkt haben, überzeugt das vielleicht.

    Eine gute Melodie kommt nicht aus dem Generator, ein gutes Stück auch nicht. Die Bedeutung bekommt es durch das Sein der Kreativen, die im besten Fall selber Instrumente des kreativen Impuls sind. Das hat mit "KI" genau nichts zu tun.

    Ich würde daher vorschlagen, fürs Erste Bullshitjobs wie das Verfassen von Marketingtexten mit "KI" zu erledigen, da fällts nicht so auf.

    • @uvw:

      Bin ganz Ihrer Meinung. „KI“: Keine Intelligenz. Für Bullshitjobs noch „zu schade“, einmotten sollte man den ganzen Kram. Nichts, was die Welt braucht!

  • Die Frage ist eigentlich nur, was wir wollen und, vor allem, was wir bereits sind zu akzeptieren

    Akzeptieren wir, daß KI in Zukunft besser malt als Picasso oder bessere Musik schreibt als die Beatles? Sind wir bereit, in entsprechende Galerien oder auf Konzerte zu gehen? Wieviel Geld sind wir bereit dafür zu bezahlen?

    Es wird in Zukunft mit Sicherheit viel von KI komponierte Musik geben. Und auch Bilder, von KI auf Öl gemalt.

    Ich persönlich hoffe dennoch, daß menschliche Augen und Ohren sich auch in Zukunft eher von Menschen und Menschlichkeit begeistern lassen, von Emotionen, die man nur schwer mit einer KI in Verbindung bringen kann.

  • Ach der Herr!

    Alles richtig & doch ist der Satz nicht falsch - die Finger & die Musik spielen mich! That’s it. Wenn’s gut ist & gut is!



    & nochens -



    Aufgewachsen mit einer “Stimme - die um die Welt ging“ Heldentenor ua Hamburger Staatsoper als nicht nur musikalischer spiritus rector.



    1963 “Beatles? So genial wie Beethoven!“



    & jetzt kommt‘s



    Sie - Ihr sorry overtopQuatsch - “Denn unmenschliche Perfektion ist ohnehin das von vielen Menschen angestrebte Ideal, in der Kunst wie bei den eigenen Alltagsperformances bis zum Aussehen.“ Ja - solche Psycho Krüppel soll‘s geben. Traurig. Aber immer wieder anzutreffen. Hol wiss un lot mi an Lann!



    & er =>



    “Die schwarzen Scheiben machen die Musik kaputt. Es gibt kein Konzert - keine Aufführung etc. ohne Fehler.



    Statt dessen wird bei einem Fehler - Takt 587 abgklopft und neu angesetzt ad infinitum!“

    anschließe mich - irgendwo dazwischen liegt der Grund für umwerfende Darbietungen /Qualität* etc -



    & Troll Eulenspiegel too.

    unterm—— zu Qualität btw



    Zen und die Kunst ein Motorad zu warten - Robert M. Pirsig

    kurz - Korrekt aber.



    Da es KI bekanntlich nicht gibt! Woll •



    Und solche Musik von programmierten Maschinen immer Menschenwerk bleibt! Hat die Academy naturellement ein Rad ab • Das ja. But.



    Was ich von sojet bisher gehört habe aber: langweilig & “…als wenn’s Kacheln Scheißen!“ (©️ Wolfgang Amadeus - 🙀🥳 - ;))

    Soweit mal



    (Jeder - der Ohren hat - hört - ob da ne drum-machine läuft - oder ob zB Mongo Santamaria an den Congas sitzt •



    Wenn Sie den Unterschied nicht hören - er ehna nix sagt/ bedeutet - kann ich ehna auch nicht helfen! Gelle.)

  • Eine KI kann auf jeden Fall objektive und mathematisch akkurate Musik komponieren. Leider wird solche Musik niemals Platz 1 der Hitparade erreichen. Lieber mit Autotune korrigieren anstatt dass Stars etwas von Harmonischen lernen, Quintenzirkel oder Frequenzverhältnisse von 5:3, 9:8 oder 15:8 kennen. Weil subjektive oder dem Mainstream entsprechende Musik sich besser verkaufen lässt.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Entre nous but not only

      Bei ehna ist mir aE viel zu viel Eurozentrismus & Lehrergehampel drin.



      Und ist ja schön - wennse sojet wissen & vllt sogar umsetzen können! Gell.



      Nur über die Qualität ehra Musik sagt das wenig bis gar nichts! Woll.

      • @Lowandorder:

        Was aber aussagekräftig ist, Klassik oder generell E-Musik ist nicht vertreten in den Top 10 der deutschen Charts.

        Ich gehe ja davon aus, je näher Musik an Theorien anknüpft, desto höher die Qualität. Mitunter in Verbindung mit ernsten Lyrics.

        In einem Gangsterrap oder bei Layla vermisst man aber mehr als nur Qualität.

        • @Troll Eulenspiegel:

          Ach was! ©️ Vagel Bülow

          “Ich gehe ja davon aus, je näher Musik an Theorien anknüpft, desto höher die Qualität. Mitunter in Verbindung mit ernsten Lyrics.“

          kurz - Mach von Kindesbeinen an - in welcher Form auch immer - & vor allem verschärft seit 1988 auf a lot of instruments Musik - verstärkt bis ausschließlich frei improvisiert.



          Und fand’s schon auf der Penne langweilig nach Noten zu spielen und was mich allein interessiert hätte - Jazz - konnte man damals nicht studieren.



          Die Folgen sind bekannt!;))



          Nein. Grau - mein Freund - ist alle Theorie. “Wenn ihr's nicht fuͤhlt, ihr werdet's nicht erjagen, Wenn es nicht aus der Seele dringt, Und mit urkraͤftigem Behagen Die Herzen aller Hoͤrer zwingt.“



          Denke. Sie gehören mir scheint’s zu der Kategorie von tja was?



          Die einen Alan Silva fragen "…warum haste da & da nicht nach b flat alteriert?“ osä & Alan antwortet: “Ich weiß nicht - wovon du sprichst!“



          Anders gewendet - wie schon mit Pirsig insinuiert “Woran messens denn Ihr‘s?“

          unterm—- zB—-



          de.wikipedia.org/wiki/Alan_Silva



          (ps …mir auch schon passiert;) 🤫🙀🥳