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Künstlerinnen-Demo am FrauentagErst die Kinder, dann die Kunst?

In Berlin demonstrierten am Sonntag Frauen und Männer für mehr „Sichtbarkeit für Künstlerinnen“ – vor der Alten Nationalgalerie. Die hat es nötig.

Demonstration „fair share! Sichtbarkeit für Künstlerinnen“ am 8. März vor der alten Nationalgalerie Foto: Stefanie Loos

Berlin taz | Vor der Demo noch schnell ins Museum. Am Weltfrauentag war die letzte Gelegenheit, um die Ausstellung „Kampf um Sichtbarkeit. Künstlerinnen der Nationalgalerie vor 1919“ zu sehen. Diese Ausstellung unterstreicht mit Nachdruck die Wichtigkeit der gleich vor der Alten Nationalgalerie stattfindenden Demo. „Fair share!“ lautet ihr Motto. Sie fordert korrespondierend zum Ausstellungstitel mehr „Sichtbarkeit für Künstlerinnen“.

In der Alten Nationalgalerie sind im Rahmen der Ausstellung über 60 Kunstwerke von Frauen sehen. Alle Werke gehören zur Sammlung, doch sichtbar waren sie nicht. Die meisten der Kunstwerke lagerten jahrzehntelang im Depot. Da wurden sie jetzt rausgeholt. So weit, so gut. Leider ist die Künstlerinnenquote der Nationalgalerie generell ziemlich miserabel: im Schaubestand hingen bisher fünf Werke von Frauen, das ergibt eine Quote von unter einem Prozent.

Menschen drängen sich durch die engen Ausstellungsräume. Zwischen ihnen eine junge Frau im blauen Overall mit der pinkfarbenen Aufschrift „fair share!“. Wohl eine Demonstrantin, die noch schnell die Ausstellung sehen möchte, bevor der Platz vor dem Museum gleich von ihren Mitstreiterinnen besetzt wird. Aufgerufen haben mehrere Bündnisse und Initiativen, die gegen die Schieflage in der Repräsentation von Frauen im Kunstbetrieb ankämpfen.

Kennen Sie diese Künstlerin?

Vor den großen Treppen der Nationalgalerie wird ein kleines hölzernes Podium aufgebaut. Frauen aller Generationen tragen pinkfarbene Buttons und Mützen. Manche haben T-Shirts über ihre Mäntel gezogen. Auf ihnen die Frage: Kennen Sie diese Künstlerin? Auf den Rückseiten sind Namen wie Lee Krasner oder Uli Aigner mit weißem Stift geschrieben. Andere halten Masken mit Frauengesichtern hoch. Auch hier die unausgesprochene Frage: Können Sie diese Künstlerinnen erkennen?

Die Sonne kommt raus. Mittlerweile stehen über hundert Menschen im Halbkreis. Rachel Kohn vom Frauenmuseum Berlin eröffnet die Demo. 22 Redner*innen wird es geben, nur kurze Impulsbeiträge. Es gibt viel zu sagen. Der Gender Pay Gap in den Künsten liegt bei drastischen 28 Prozent. Wie in der Nationalgalerie sind Künstlerinnen in allen staatlichen sowie den meisten privaten Sammlungen unterrepräsentiert. Auch werden sie seltener von Galerien vertreten. Ihre Kunst wird zu sehr viel geringeren Preisen verkauft.

Ein weiteres Problem ist, dass Künstlerinnen mit Kindern kaum unterstützt werden. „Wir müssen endlich auch den Rücken frei haben, um konzentriert arbeiten zu können. So wie die Männer, die morgens ins Büro gehen“, fordert Ines Doleschal vom Bündnis Kunst + Kind Berlin, das heute sein zweijähriges Bestehen feiert. „Für uns hört es nie auf.

Sind die Kinder im Bett, wird die Bewerbung geschrieben

Wenn die Kinder im Bett sind, schreiben wir unsere Bewerbungen und gestalten unsere Web­sites.“ Die Entscheider*innen im Kunstbetrieb müssten mehr mitdenken und Künstlerinnen mit Kind nicht ausklammern. Sorgebedingte Lücken in der Vita müssen akzeptiert werden, Residenzstipendien brauchen Zuschläge für Kinderbetreuungskosten oder müssen ortsungebunden sein. „Wir sind Künstlerinnen der dritten Klasse“, stellt Doleschal fest.

In der Menge steht eine Frau mit schwarzer Gorillamaske auf dem Kopf. Das Zeichen der legendären Guerilla Girls, einer feministischen Aktivistengruppe, die bereits in den 1980er Jahren die Frage stellte: Müssen Frauen nackt sein, um ins Metropolitan Museum zu kommen? Und weiter: „Weniger als 5 Prozent der Künstler in der Abteilung der Modernen Kunst sind Frauen, aber 85 Prozent der Akte sind weiblich.“ Das war 1989. Bis heute haben sich diese Zahlen kaum verändert.

Um diesen Zustand endlich zu überwinden, fordern die Künstlerinnenverbände eine gendergerechte Gestaltung von zukünftigen Ankaufs- und Ausstellungstätigkeiten. So wie das Baltimore Museum of Art, das in diesem Jahr ausschließlich Kunst von Frauen ankauft. Außerdem brauche man deutlich mehr gezielte Förderungen von Preisen und Stipendien für Künstlerinnen aller Altersstufen.

Hilma af Klint-Biografin Julia Voss ist heute auch da

Um an der männlich geprägten Kunstgeschichtsschreibung zu rütteln, müssen auch Forschungsprojekte und Publikationen zu Künstlerinnen gefördert werden. Bücher, wie das über die Malerin Hilma af Klint von der Autorin Julia Voss, die heute auch da ist. Sie hält ein Plakat mit dem Por­trät der progressiven Künstlerin hoch, die erst jetzt, 75 Jahre nach ihrem Tod, von der Kunstwelt entdeckt wird.

Die Kunsthistorikerin Dorothée Bauerle-Willert nutzt auf dem Podium die Gelegenheit, um an ein ähnliches Schicksal zu erinnern: das von Berthe Morisot. Die Malerin war als Pionierin des Impressionismus an fast allen Ausstellungen der Gruppe beteiligt. Auf ihrem Grabstein aber steht: „Hier liegt die Witwe Eugène Manets.“

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