Künstler werden: Von Kunst verführt
Hamburger Kunsträume
von Hajo Schiff
Früher war Kunst etwas Besonderes, etwas mit Aura, für das es einer speziellen Berufung bedurfte. Kein normales Berufsfeld, für das geworben werden muss. Doch nun das: Nächsten Samstag gibt es einen Schülerinformationstag an der HfbK Hamburg, der alle Fragen zum Kunststudium beantworten will. Dabei soll Kunst Fragen stellen – nicht Fragen beantworten. Außerdem sind Kunsthochschulen eigentlich für diejenigen da, die es trotz aller Widrigkeiten partout nicht lassen können. Hätte man Hitler an der Wiener Akademie nicht abgelehnt, wäre der Welt großes Unheil erspart worden.
Ansonsten grenzt es an Unverantwortlichkeit, jungen Menschen zu raten, eine Beschäftigung auszuüben, die zwar gewisse Image-Werte verspricht, aber im Grunde gesellschaftlich weder gebraucht noch gewollt wird. Es gibt in der Bundesrepublik mindestens 30 Akademien und etliche weitere Kunstschulen. Jedes Jahr wieder müssen massenhaft stolze Absolventen dieser Institute nach ihrem Abschluss ihre Kreativität für alles Mögliche einsetzen – nur die wenigsten im Kunstbetrieb.
Obwohl das Künstlerische für viele heutige Arbeitsfelder als Ideal zitiert wird, ist es schwer zu leben. Prekäre Arbeitsbedingungen warten, Ausbeutung in einer losen Folge schlecht bezahlter Jobs ist in diesem Bereich Normalität. Einige junge Diplom-Künstler werden Kurse geben und den Gedanken emanzipativer Kunst unverantwortlicher Weise noch verbreiten – oder sie werden gar beginnen, über Kunst zu schreiben.
Wozu diese seltsamen Kunst-Menschen tatsächlich fähig wären, zeigt einmal im Jahr konzentriert die hiesige Künstler-Brutstätte: Von der Eröffnung um 19 Uhr am 24. Februar bis zum folgenden Sonntag ist wieder Jahresausstellung der Hochschule für bildende Künste am Lerchenfeld. Die Studierenden von Malerei, Bildhauerei, Grafik, Typografie, Fotografie, zeitbezogenen Medien, Design, Bühnenraum, Film und Kunstpädagogik zeigen eine Auswahl aus ihrer Produktion. Verführerisch ist das schon.
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