piwik no script img

Künstler über das Gute im Menschen„Ich suche den roten Faden“

Sönke Busch malt, schreibt und hält Reden – unter anderem von einem Weserufer zum anderen. Mit seinen Mitmenschen hat er erfreulich gute Erfahrungen gemacht.

Sönke Busch will Wärme unter die Bremer*innen bringen Foto: Tristan Vankann/Fotoetage
Interview von Frank Schümann

taz: Herr Busch, sind Sie ein Lebenskünstler?

Sönke Busch: In der Beschreibung dessen, was ein Lebenskünstler ist, schwingt ja auch immer etwas Despektierliches mit. Ich forsche selbst danach, was der rote Faden ist innerhalb dessen, was ich tue. Also, wie verbinde ich belletristisches Schreiben, politische Aktivität und Malerei? Wie kriege ich es im besten Fall auf die Kette, dass irgendwo ein Bild von mir hängt, eine Idee durch die Stadt geistert und ein Text von mir existiert, wo kein Name drübersteht – und der Rezipient denkt sich: Ah, das kommt doch irgendwie aus der gleichen Richtung. Das ist für mich die Suche danach, was der rote Faden ist – der das nicht durchspinnt, sondern der das einwickelt. Ich glaube, das ist das, was letztlich mit einem Lebenskünstler beschrieben ist. Eine Eselsbrücke, um jemanden einzufangen, ein Werk einzufangen, das vielleicht zerfranst ist. Aber das bedeutet nicht, dass es keinen Kern hat.

Wie würden Sie sich denn stattdessen selbst kategorisieren?

Ich würde mich mir selber nähern, wie ich mich anderen Menschen nähere, und zwar über die Frage: Woher kommt das alles? Wieso tust du, was du tust? Nicht als Künstler, sondern als Mensch.

Sie haben Fachabitur in Bremen gemacht, waren danach in Wien und Berlin, kamen 2005 zurück und haben sich dem gewidmet, was Sie bis heute machen – malen und schreiben. Welches von beiden war zuerst da?

Als ich zurückkam, war ich auf der Suche danach, womit ich mir am meisten Geltung verschaffen kann. Und da war Malen damals durch die Hip-Hop-Sozialisation Anfang der 90er-Jahre das einfachste Mittel, um möglichst laut zu sein. Das Schreiben kam etwas später. Ich habe vorher viel probiert, hatte in Wien ein Stipendium für ein Jahr. Da hab’ ich Filme gemacht, geschauspielert, Drehbücher geschrieben, produziert. Dabei habe ich aber schon gemerkt, dass mir Produzieren viel zu stressig ist, dass Regie bedeutet, dass man den ganzen Tag mit Schauspielern rumhängen muss. Und was letztendlich übrig blieb, war Bock auf die Bühne – und die Fähigkeit zu schreiben. Und das ist die Essenz von Lesungen, meiner Meinung nach: ein guter Text und jemand, der auf der Bühne wirken kann. Und da fiel mir auf: Ich fand meine Texte nie stark genug, um Menschen damit komplett alleine zu lassen.

Das heißt?

Ich weiß, wie man einen Raum ruhig kriegt, und das ist so ziemlich die Hauptsache. Man muss es irgendwie hinbekommen, dass die Leute eine Lesung als das erachten, was es ist, nämlich eine Stunde lang ruhig zu sein und zuzuhören. Was ich übrigens selbst nur sehr schlecht kann.

Wie ist es mit dem Malen?

Malen gehört zu meiner Prägung. Das war schon immer da. Was mir daran besonders gefällt, ist, dass dieser Prozess komplett anti-konsumistisch ist. Wenn ich mich hinsetze und ein Bild male, dann dauert das acht Stunden. In dieser Zeit bin ich komplett mit mir alleine. Ich kann, wenn ich male, einen unheimlich langen Gedankenbogen verfolgen, ohne dass mich etwas ablenkt.

Wann wussten Sie, dass Sie mit dieser Art Leben Ihren Unterhalt verdienen können?

Ich habe den Vorteil, dass ich aus einem Elternhaus komme, wo die Hierarchien der Werte im Leben nicht kapitalistisch geprägt waren. Geld als Strategie war in meinem Kopf nie ein Thema. Ich mag die Idee von Quid pro quo im Sozialen – ohne den Umweg über Geld, ohne den Tauschwert. Dass wir uns gegenseitig darum sorgen, dass es uns an nichts mangelt. Und ich habe den Vorteil, dass ich in meinem Leben noch nie viel Geld gehabt habe.

Was treibt Sie an?

Was mich angetrieben hat: Ich wollte immer Sicherheit haben, aber Sicherheit war für mich nie verknüpft mit Geld haben. Sondern damit zu sagen: Okay, wenn ich Hunger hab’, dann geh’ ich halt irgendwo hin und sage: „Ey, ich hab’ Hunger.“ Und das Interessante ist: Wenn du offen und ehrlich in irgendeinen Nahrungsladen reingehst und sagst: „Es lief bei mir gerade nicht so gut, ich hab Hunger“ – zack, du kriegst was zu essen. Wenn du zu jemandem gehst, der etwas hat, und du sagst: „Ich hab’ das gerade nicht“ – dann ist doch wohl klar, was der andere Mensch tut. Das erwarte ich von der Menschlichkeit, die einem Menschen innewohnt. Das betrifft auch andere grundsätzliche Dinge: „Ey, mir ist kalt.“ Oder: „Ey, meinem Kopf geht’s gerade scheiße, kannst du mir mal zuhören? Ich brauch gerade jemanden.“ Und jeder Mensch, der der Meinung ist, sich ein Stück Menschlichkeit bewahrt zu haben, der ist bereit, das zu teilen.

Im Interview: Sönke Busch

38, ist Schriftsteller, Maler und Redner; politisch engagiert, kommunikativ ­– und äußerst gut vernetzt. Mit dem Lese-Projekt „Bomben auf Utopia“ versuchte er ein Jahr lang, einmal wöchentlich einen virtuellen Raum in Bremen zu erzeugen. Und mit der „lautesten Rede der Welt“, gehalten über die Weser hinweg, machte er im August 2014 auch jenseits der Stadt auf sich aufmerksam.

Dahinter steht ein positives Menschenbild.

Ja! Weil ich die Erfahrung gemacht habe! Wenn man sich in diesem Businesskontext bewegt, dann ist das natürlich was anderes.

Sie sagen, wenn die Leute sehen, dass Sie Hilfe brauchen, sind sie bereit zu helfen. Wieso sind sie das nicht bei den Flüchtlingen im Mittelmeer?

Weil sie Faschisten sind. Weil Menschen aus einer anderen Gruppe für sie weniger zählen als aus der eigenen, wie es scheint.

Aber Sie glauben weiter grundsätzlich an den Menschen?

Ich glaube sehr daran, dass Kleinstgruppen, die sich automatisch und emotional gefunden haben, im Kern sehr gut funktionieren. Wenn’s künstliche Gebilde sind wie Nationalstaaten oder Militärbündnisse oder Dinge, die von oben drauf gestanzt wurden im Sinne von „Ihr seid jetzt eine Gruppe“, dann – vergiss es. Ich glaube, das Problem ist die emotionale Kälte, die entsteht, wenn Räume zwischen den Menschen zu groß werden.

Wenn man sich mit Ihren Texten und Bildern beschäftigt, kommt viel Wärme zum Vorschein. Auch „die lauteste Rede“ im Sommer 2014 am Weserufer gehalten, war ja im Grunde auch eine Liebeserklärung an die Stadt und an die Jugend. Geht es darum, diese Wärme unters Volk zu bringen?

Ja, absolut. Ich hab ein Reflexionsbedürfnis den Menschen gegenüber: Zu sagen, wie es mir geht, sehr oft in einer großen Offenheit – was aber oftmals auf Ohren trifft, die mich vereinnahmen möchten; sie sagen, ich wäre zynisch und ironisch, weil sie selbst zynisch oder ironisch sind. Dieser Text war eine komplette Liebeserklärung: daran, wie es ist, mit 16 Jahren am Deich zu liegen, vom Leben noch nicht auf die Fresse bekommen zu haben, noch die Illusion zu haben, dass alles möglich ist. Das war ein Dankeschön an die Stadt, dass die mich so hat sein lassen, wie ich bin.

Dennoch gab es negative Stimmen – was will der eigentlich, was ist das für ein eigenartiges Sendungsbewusstsein. Wie sind Sie damit umgegangen?

Na ja, ich hab schon gedacht, was für ein Quatsch, das ganze Ding hat, glaube ich, 18 Minuten gedauert. Schon seltsam – es gibt kein Problem, wenn das Weserstadion alle zwei Wochen das Viertel lahmlegt, aber da regt man sich auf.

Planst Du ähnliche Aktionen?

Ja, es kommt etwas ganz Großes, am Ende des Jahres, was aber im Moment noch sehr unter Verschluss ist. Daneben schreibe ich gerade ein Theaterstück , und auch ein neues „Bomben für Utopia“ wird kommen.

Und nebenbei werden Sie gerne von Wirtschaft und Politik als Redenschreiber angeheuert. Wie passt das eigentlich zusammen mit den ganzen künstlerischen Aktivitäten?

Zum einen haben ich in diesen Reden immer auch eine andere Ebene drin, und zum anderen nehmen sich die beiden Bereiche absolut nichts. Ich bin den letzten fünf Jahren, in denen ich mich extrem viel mit Wirtschaftsleuten rumgetrieben hab, unglaublich dankbar, weil ich darüber viel mehr verstanden habe, worüber Leute funktionieren, als ich das in der Kunst jemals verstanden habe. Wie Menschen agieren, warum sie tun, was sie tun. Was greifbarer Erfolg ist, wie Geld Menschen verändert – und auch die Offenlegung dieser Tiefe von Menschen, die hast Du ganz krass, wenn es ums Geld geht. So ist es halt. Alle bemühen sich, die Kunst ernst zu nehmen, kriegen es aber ganz selten auf die Kette. Wenn Du in der Wirtschaft bist, merkst Du, das ist ernsthaft existenziell.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!