: Kündigung für das Bremer Ökodorf
■ Finanzsenator Perschau (CDU) macht ernst: Nächstes Jahr soll das Lesumer Ökodorf verschwinden / Baubehörde ist dagegen / Ökosiedler aus Bremen-Nord sehen sich getäuscht
Das Lesumer Ökodorf soll abgeräumt werden. „Minderheiten dürfen nicht dauerhaft privilegiert werden.“ Wer im Grünen wohnen wolle, müsse dort mieten oder kaufen. So begründet der Sprecher von Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU), Stefan Luft, warum dieser darauf besteht, dass die 25 Lehm- und Holzhäuschen aus der Lesumniederung verschwinden sollen.
Ein entsprechendes Schreiben hat die Verwalterin des Geländes, die Bremische Wohnungsbaugesellschaft, dem ehemaligen Grünen Bürgerschaftsabgeordneten und Vorsitzenden des Vereins „Bürgerinitiative grüner Weidedamm“, Klaus Möhle, auf Senatorengeheiß kürzlich zugestellt. „Sollte eine Räumung bis zum 30.11.99 nicht möglich sein“, so hieß es weiter, solle eine „ggf. angemessene Räumungsfrist“ verhandelt werden.
Diese Frist wurde mittlerweile offiziell gestreckt: Ein Jahr sollen die ÖkosiedlerInnen haben, um abzuziehen, bestätigt Luft. Dieses Angebot – das im Ökodorf noch nicht vorliegt – sei „ausgesprochen großzügig“. Schließlich sei der Vertrag mit dem Verein von Anfang an auf fünf Jahre befristet gewesen. Das gehe aus einem 1995er Schreiben des damaligen Finanzsenators Manfred Fluß (FDP) hervor. Darin heiße es, „ein unbefristeter Vertrag war und ist nie beabsichtigt“. Dennoch habe die Gruppe nie eine Alternative gesucht.
Im Bauressort unterdessen leuchtet diese Sicht niemandem ein; das hat Finanzsenator Perschau sogar schriftlich bekommen. Bausenatorin Christine Wischer (SPD) hatte Stellung bezogen, nachdem eine einmalige, auf ein Jahr befristete Verlängerung des Pachtvertrages auf Staatsräte-Ebene zur Sprache gekommen war. „Es spricht nichts dafür, dieses Projekt zum jetzigen Zeitpunkt zu beenden“, schrieb sie. Im Gegenteil lehne sie dies als „hoch problematisch“ ab. „Es gibt keine meinem Hause bekannten Vorstellungen zu einer sinnvollen anderweitigen Nutzung des Geländes.“
Dass Finanzsenator Hartmut Perschau dieses Schreiben bislang unbeantwortet ließ, unterdessen den SiedlerInnen aber die letztmalige Befristung verkündete, nennt man im Bauressort „einen unfreundlichen Akt.“ Der SPD-Fraktionsvorsitzende Jens Böhrnsen sagt unterdessen: „Ich gehe davon aus, dass die Option für eine weitere Verlängerung besteht.“ Wie bereits vor Monaten weist er darauf hin, dass der direkt benachbarte Golfplatz einen Pachtvertrag bis 2006 habe.
Von einer „Gemeinheit“ spricht derweil der Ökosiedler Klaus Möhle. Die Aufforderung zur Räumung habe ihn „richtiggehend umgehauen“. Er habe sich auf das Wort eines Bremer Senators verlassen. Anlass sei ein Gespräch mit Hartmut Perschau noch vor den Bürgerschaftswahlen gewesen. Damals habe der CDU-Senator ihm vor Zeugen die Vertragsverlängerung zugesichert – hätte dies aber unter Hinweis auf die bevorstehenden Wahlen vertagt.
Kronzeuge Carlo Schreiber (SPD), damals Vorsitzender der Baudeputation, bestätigt dies, schränkt aber ein: „Es wurde nicht davon gesprochen, um welchen Zeitraum der Vertrag verlängert werden sollte.“ Eine nur einjährige Verlängerung hält der langjährige Baupolitiker allerdings „für tödlich“ für das Projekt. „Ich weiß auch nicht, ob das redlich ist“, erinnert er auch an die langwierige Platzsuche für die ÖkosiedlerInnen, deren Parzellen am Weidedamm einst einem Neubaugebiet Platz machen mussten. ede
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