Krümmel, Plutonium und Schmitz-Feuerhake: Mangelnde Neutralität
■ Akademischer Senat kritisierte Rektorat für Parteilichkeit im Gutachter-Streit
Rüge für den Rektor der Universität Bremen, Jürgen Timm: Wie erst jetzt bekannt wurde, hat der Akademische Senat (AS) bereits im Dezember heftige Kritik an der Uni-Leitung und der Pressestelle geübt. Der Vorwurf des wichtigsten Selbstverwaltungsgremiums: mangelnde Neutralität des Rektorats in der Kontroverse um das Gutachten der Physik-Professorin Inge Schmitz-Feuerhake. Es sei nicht Aufgabe der Uni-Leitung gewesen, „zur Krümmel-Studie eine inhaltlich wertende Stellungnahme abzugeben“, formulierten zehn Mitglieder des Akademischen Senats bei fünf Gegenstimmen. Ob in dem Gutachten falsche Schlüsse gezogen worden seien, hätte zuerst in einem „fairen und unabhängigen Verfahren“ geklärt werden müssen.
Die Leitung der Universität hatte sich Ende November letzten Jahres öffentlich von der Professorin abgewendet und die Ergebnisse eines Gutachtens für eine Bürgerinitiative als „falsch und fahrlässig“ bezeichnet. Die Distanzierung des Rektorats wurde damit begründet, einen „Imageschaden“ von der Uni abwenden zu wollen. Die Atomkraftkritikerin hatte die These vertreten, die Region um das Atomkraftwerk Krümmel sei „eindeutig“ mit Reaktorplutonium verseucht. Fachkollegen und Atomlobbyisten warfen ihr kurz darauf unwissenschaftliches Vorgehen und methodische Mängel vor.
Einen zweiten Rüffel erteilte der Akademische Senat den Uni-Oberen in seiner Januar-Sitzung: Die Pressestelle hatte die Dezember-Kritik nicht in einer Pressemitteilung veröffentlicht – Unterschlagung aus schlechtem Gewissen? „Man fragt sich, ob unsere Pressestelle für die Universität oder für das Rektorat arbeitet“, formulierte ein AS-Mitglied gegenüber der taz. Uni-Pressesprecher Uwe Gundrum begründete die Nicht-Veröffentlichung mit dem Redaktionsschluß der Uni-Zeitschrift „Bremer Uni Schlüssel“: In die Januar-Ausgabe hätte der Beschluß des Akademischen Senats nicht mehr aufgenommen werden können. Einen Monat später wurde der Kontroverse eine ganze Seite gewidmet.
Wie in Zukunft bei Plagiat, gutachterlichen Schnellschüssen oder unwissenschaftlichem Verhalten zu verfahren ist, darüber berät der Akademische Senat schon lange. Ende 1997 hatte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die Universitäten gebeten, ihre „Vorschläge zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ zu übernehmen. In Bremen ist nun durch die Kontroverse neues Leben in die Diskussion eingehaucht worden. Welche Vorschläge der DFG in Bremen übernommen werden sollen, bleibt aber vorerst offen. cd
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