Krude Atheismus-Kritik: Ein Bischof sieht purpurrot
Die "Unmenschlichkeit des praktizierten Atheismus" sei schuld an Nazis und Kommunismus, sagt Augsburgs Bischof Mixa. Nicht-Gläubige sind empört über dessen Äußerungen.
Für Walter Mixa ist das Grundübel des 20. Jahrhunderts klar eingrenzbar. In seiner Osterpredigt am Sonntag erklärte der katholische Bischof von Augsburg: "Aggressiver Atheismus" und "gottlose Verhaltensweisen" seien schuld an so ziemlich jedem Übel der Menschheit.
Laut einer vorab veröffentlichten Pressemitteilung sagte Mixa bei seiner Predigt in der Augsburger Marienkathedrale: "Wo Gott geleugnet oder bekämpft wird, da wird bald auch der Mensch und seine Würde geleugnet und missachtet. Eine Gesellschaft ohne Gott ist die Hölle auf Erden." Wo der christliche Glaube schwinde, komme deshalb nicht das "helle Licht irgendeiner fröhlichen Aufklärung" zum Vorschein, sagte der Bischof weiter.
Mixa machte in seiner Predigt fehlenden Glauben unter anderem als die Hauptursache für die totalitären Diktaturen des 20. Jahrhunderts aus: "Die Unmenschlichkeit des praktizierten Atheismus haben im vergangenen Jahrhundert die gottlosen Regime des Nationalsozialismus und des Kommunismus mit ihren Straflagern, ihrer Geheimpolizei und ihren Massenmorden in grausamer Weise bewiesen", sagte der 67-Jährige. Immer seien in diesen Systemen die Christen und die Kirche besonders verfolgt worden.
Auch in der Gegenwart würden "durch gottlose Verhaltensweisen in allen Teilen der Welt Menschen wirtschaftlich und moralisch ausgebeutet, wenn etwa Kinder zum Kriegsdienst oder Frauen zur Prostitution gezwungen" würden. Ohne "christlichen Glauben" gebe es "dauerhaft keine wahre Menschlichkeit", sagte Mixa.
Atheisten als Nazis, Massenmörder, Zuhälter und Kinderquäler? Christen als von den Nazis systematisch Verfolgte? Die jüngsten Äußerungen Mixas, der seit 2005 Bischof von Augsburg ist, sorgen für Empörung. So klagt der Vorsitzende des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten, Rudolf Ladwig: "Der Bezug zum Nationalsozialismus ist diffamierend und geschichtsfälschend. Unterschlagen wird der christliche Antijudaismus als Wurzel des Antisemitismus und 2.000 Jahre kirchlicher Judenverfolgung." Eine besondere Opferrolle der Kirchen unter den Nazis lasse sich nicht nachweisen: "Verboten waren aber 1933 bis 45 nicht die Kirchen, sondern die Freidenkerorganisationen."
Auch heute könne von einer gezielten Verfolgung Gläubiger nicht die Rede sein: "Marodieren etwa hierzulande atheistische Schlägertrupps vor und in Kirchen? Werden Christen in Lager gesperrt?", fragt Ladwig. Im Gegenteil bereite "gerade der Glaube als vermeintlich sichere Richtschnur" vielen Tätern "erst ihr kristallklares Gewissen". "Die Verbrechen sowohl des Nationalsozialismus wie des Stalinismus wurden in dem Glauben verübt, eine unfehlbare Quelle der Wahrheit zu besitzen", urteilt Ladwig.
Bischof Mixa, seit dem Jahr 2000 auch katholischer Militärbischof und damit für die Seelsorge bei der Bundeswehr zuständig, sorgt immer wieder mit umstrittenen Äußerungen für Aufsehen. Erst im vergangenen Monat hatte er in Anspielung auf den Holocaust-Leugner Richard Williamson gesagt: "Es hat diesen Holocaust sicher in diesem Umfang mit sechs Millionen Getöteten gegeben. Wir haben diese Zahl durch Abtreibungen aber bereits überschritten."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge