Kritik um Kolumbiens Präsident: Unter medialem Beschuss
Gustavo Petro, der erste linke Präsident Kolumbiens, wird medial heftig kritisiert. Das ist eine Strategie der Rechten, die um ihre Macht fürchten.
Kein Tag vergeht, an dem die Regierung nicht Halbwahrheiten und Desinformationen ausräumen muss. „Wir haben die mediale Berichterstattung, die Tweets und Kommentare in den sozialen Medien in den letzten Monaten ausgewertet und glauben, dass es eine Kampagne gegen die Regierung gibt“, meint der Abgeordnete Alirio Uribe Muñoz vom Pacto Histórico, der Regierungspartei.
„60 Millionen negative Berichte, Meldungen, Tweets und Kommentare haben wir in einem Monat registriert – 2 Millionen pro Tag“, berichtet der ehemalige Menschenrechtsanwalt. Er könne sich nicht vorstellen, dass das noch Zufall ist.
Die Desinformation zeigt ihre Wirkung: Das Vertrauen in die Regierung geht laut Umfragen zurück. Selbst die Anhänger der Regierung, die sich mehrheitlich in der einfachen Bevölkerung finden, rücken zumindest partiell frustriert ab. Das ist typisch in Kolumbien, wo die Bindung zu Parteien und Politiker:innen eher locker geknüpft sind, so Carlos Ojeda von der Menschenrechtsorganisation Fasol.
Große Medien spielen relevante Rolle
Dabei spielen die großen Medien, die Fernsehsender Caracol und RCN, die Tageszeitungen El Tiempo oder die Wochenzeitung Semana eine wichtige Rolle, so Jonathan Bock, Direktor der Stiftung für die Pressefreiheit (Flip). „Die Medienkonzentration in den Händen von Firmenholdings, hinter denen einflussreiche Familien stehen, ist ein Problem in Kolumbien. Das führt unserer Analyse zur Folge dazu, dass Erfolge der Regierung, aber auch die Auseinandersetzung mit sinnvollen Reformen wie der Justiz und des Strafvollzugssystems zu kurz kommen.“
Reportagen über die Situation in den Haftanstalten, wo laut der vorliegenden Gesetzesvorlage für die Justizreform mehr auf Resozialisierung und weniger auf hohe Strafen gesetzt werden soll, fänden sich kaum in den großen Medien, so Bock.
Allerdings gäbe es in Kolumbien kaum empirische Auswertung der Berichterstattung und keine Kontrollsysteme, die einer objektiven Berichterstattung verpflichtet sind, moniert der 43-jährige Journalist. Zudem sei die Medienpräsenz in vielen Konfliktregionen des Landes kaum gewährleistet. Ein Beispiel ist das Departamento Putumayo: „Da haben vierzig Journalist:innen die Berichterstattung über den bewaffneten Konflikt eingestellt. Sie wollen in dem Konflikt nicht weiter instrumentalisiert und bedroht werden.“ 67 Morddrohungen gegen Journalisten seien landesweit bis Anfang Juli eingegangen, im Jahr 2022 waren es 217.
Fehler in der Kommunikationsstrategie?
Dieser Realität will die Regierung von Gustavo Petro mehr Förderung kommunaler Radios und auch alternativer digitaler Medien entgegensetzen. Das ist positiv aus Perspektive der Flip, die für mehr Medienvielfalt eintritt und auf die steigende Dichte neuer digitaler Medien in der Region hinweist.
Engagierte, investigative Medien wie Vorágine, Cuestión Pública oder La Silla Vacía sind dafür Beispiele. Direkte Finanzierung vonseiten des Staats lehnt Laila Abu Shihab von Vorágine kategorisch ab. „Unsere Unabhängigkeit ist ein heiliges Gut“, erklärt die Mitgründerin des kritischen Online-Mediums. Maßnahmen zur Stärkung der Medienvielfalt fände Abu Shihab jedoch positiv.
Der Abgeordnete Alirio Uribe Muñoz sieht zudem „etliche Fehler“ in der Kommunikationsstrategie der Regierung: „Wir müssen unsere Erfolge wie die Steuerreform oder den Waffenstillstand mit der Guerilla der ELN besser vermitteln, Reforminitiativen in Arbeitsrecht, Gesundheits- und Rentensystem klarer kommunizieren.“ Zu spät sei die Ernennung des neuen Direktoriumsduos bei dem staatlichen Sender RTVC erfolgt, eine Angelegenheit, die eigentlich zeitnah zum Regierungswechsel erledigt wird.
Doch erst ganze neun Monate nach Amtsantritt von Gustavo Petro wurde die neue Senderführung bekannt: Norida Rodríguez, Anwältin und Schauspielerin, und Hollman Morris, TV-Journalist, mit zahlreichen Dokumentationen über soziale Brennpunkte des Landes.
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