Höfe sollen weiter grünen

Bürgerinitiativen und Naturverbände fordern das Ende von Wohnungsbau auf Kosten von Grünflächen

Von Claudius Prößer

„Man hat uns regelrecht ausgetrickst“, sagt Nick Meißner von der „Bürgerinitiative auf dem lichten Berg“. Er vertritt AnwohnerInnen, die von einem Neubauprojekt der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft ­Howoge an der Lichtenberger Atzpodienstraße regelrecht überrumpelt wurden: „Mitte Februar bekamen wir per Infobrief mitgeteilt, dass ein Neubau mit 50 Wohnungen geplant sei. Sechs Tage später wurden 16 Bäume gefällt, die teils 40 Jahre alt waren.“ Auf eilig gestellte Anfragen habe die Howoge nicht geantwortet, so Meißner. Die AnwohnerInnen hätten ohne jegliche Möglichkeit zur Beteiligung „eine kleine Oase der Ruhe und auch der Natur“ verloren.

Im Fall von Axel Matthies, Mitglied der Bürgerinitiative „Grüne Höfe Hellersdorf Süd“, ist es theoretisch noch nicht zu spät – viel Hoffnung haben er und seine MitstreiterInnen aber auch nicht mehr: Zwei baumbestandene Innenflächen der Plattenbau-Blöcke an der Bodo-Uhse-Straße und der Lily-Braun-Straße will die ebenfalls landeseigene „Stadt und Land“ mit je 150 Wohnungen bebauen. „Die Bäume sollen im Herbst oder Winter geschreddert werden“, sagt Matthies. Die Menschen seien „irritiert und verzweifelt“, ihre „grünen Erholungsinseln und sozialen Lebensräume werden zerstört“, es werde eine „erdrückende Enge erzeugt“.

Diese und weitere Fallbeispiele wurden am Mittwoch vom „Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung“ (BBNS) vorgestellt, in dem sich rund 30 Initiativen vernetzt haben. Unterstützt werden sie in ihrem Kampf gegen die Rodung und Bebauung grüner Höfe durch die Umweltverbände BUND und Nabu sowie die Gruppe Architects for Future. An die Öffentlichkeit gehen sie jetzt, weil am 1. Oktober das saisonale Baumfällverbot endet. Sie befürchten, dass dann für viele Wohnungsbauvorhaben die Kettensägen heißlaufen werden.

Gerade haben sie einen offenen Brief an Bausenator Andreas Geisel (SPD) geschrieben, den sie dringend zu einem Bau-Moratorium der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften aufrufen. Anstatt dringend benötigte Grünflächen in Wohnanlagen zu überbauen, müssten „alle anderen Möglichkeiten der Schaffung von günstigem Wohnraum“ ausgeschöpft und Neubaupläne auf Klimatauglichkeit geprüft werden. Eine weitere Forderung ist die nach „echter Partizipation“ der BürgerInnen. „Wir sind auch Teil des kommunalen Eigentümers“, heißt es im Brief, „wo bleibt unsere Stimme?“

Ein Kernproblem aus Sicht des Bündnisses: Große Teile des Berliner Ostens gelten seit der Wiedervereinigung als „unbeplanter Innenbereich“, auf den § 34 Baugesetzbuch, der „Lückenschlussparagraf“, angewandt werden kann. Dabei bedarf es keines „qualifizierten Bebauungsplans“: Die Gesellschaften können relativ freihändig entscheiden, ob und wie sie vorhandene Freiflächen innerhalb von Siedlungen verdichten. Eine Ungerechtigkeit, die das Bündnis möglichst rasch beendet sehen will: Es brauche B-Pläne, die unter Beteiligung der AnwohnerInnen entwickelt würden und bereits versiegelte Flächen in Anspruch nähmen oder vorhandene Gebäude aufstockten.