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Kritik an britischer WirtschaftspolitikSteinbrück brüskiert Brown mit Spott

Fauxpas von Finanzminister Steinbrück: In einem Interview kritisierte er den Kurs des britischen Premiers harsch. Eine ganze Generation müsse dessen Verschuldung abtragen - Brown konterte.

Verbales Duell über Steuerpolitik: Finanzminister Steinbrück und Premier Brown. Bild: dpa

LONDON rtr/dpa Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat die Rettungspakete anderer Länder zur Linderung der Wirtschafts- und Finanzkrise teils scharf kritisiert. Eine Rezession sei unvermeidbar und Regierungen sollten damit aufhören, sich gegenseitig mit immer größeren Stützungspaketen zu überbieten, sagte Steinbrück dem Magazin "Newsweek" laut Veröffentlichung auf deren Internet-Seite vom späten Mittwochabend. "Die Geschwindigkeit, mit der Vorschläge unter Druck zusammengezimmert wurden, die noch nicht einmal einen wirtschaftlichen Test bestanden haben, ist atemberaubend und deprimierend." So habe der britische Premierminister Gordon Brown eine Wirtschaftspolitik mit einer Verschuldung eingeschlagen, die eine ganze Generation werde abtragen müssen.

Brown wies die Kritik zurück. "Ich will nicht wirklich in etwas einbezogen werden, das ganz klar deutsche Innenpolitik ist", sagte Brown am Donnerstag dem Londoner LBC-Radio. Brown betonte, tatsächlich investiere Deutschland mehr. "Sie haben gerade ein Programm angekündigt, damit sie in öffentliche Vorhaben investieren und ihren Banken helfen können".

Wichtig sei, dass "fast jedes Land auf der Welt das macht, was wir machen", sagte der Regierungschef. Solche Maßnahmen nicht zu ergreifen, bedeute als Regierung zu scheitern.

Vor wenigen Tagen hatte sich Brown mit Frankreichs Präsident Nicoals Sarkozy und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso in London getroffen. Dabei war auch über die Wirtschaftskrise debattiert worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel war nicht eingeladen. Kritiker hatten dies als Beleg für die zunehmende Isolation bewertet, in die sich die Bundesregierung angesichts einer verhaltenen Antwort auf die Rezession in Europa hineinmanövriert habe. Vor allem Sarkozy hatte der Kanzlerin Zögerlichkeit vorgehalten. Während Frankreich handele, werde in Deutschland nachgedacht, hatte er Merkel bei einem gemeinsamen Auftritt offen angegriffen. Wie Merkel (CDU) hat sich auch Steinbrück (SPD) gegen ausufernde Ausgaben in der gegenwärtigen Situation ausgesprochen.

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3 Kommentare

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  • R
    ronja

    leute mit dem maß an politischer vernunft wie steinbrück sollten sich darauf beschränken, steine für brücken zu klopfen, statt so dumme sprüche.

  • LP
    Ludwig Paul Häußner

    Geben und Nehmen - mittels Steuerbonus und höherer Mwst

     

    Finanzminister Steinbrück liegt mit seiner Kritik richtig - für Deutschland zieht er aber nicht die not-wendigen Konsequenzen.

     

    Mit der beabsichtigten Senkung der MwSt provozieren die Briten eine generelle Senkung des allgemeinen Preisniveaus - soll heißen sie betreiben eine deflationäre Politik.

     

    Herr Steinbrück und die große Koalition sollten die Weitsicht und den Mut aufbringen ganz das Gegenteil zu tun.

     

    So könnte jeder/jedem BürgerIn über die jüngst eingeführte Steueridentifikationsnummer z. B. zum 01. 04. 2009 ein Steuerbonus in Höhe von 200,-- € ausgezahlt werden. Für eine vierköpfige Familie wären das immerhin 800,-- € im Jahr!

     

    Zeitverzögert, z. B. zum 01. 07. 2009 würde die MwSt um 2%-Punkte auf 21% erhöht.

     

    Zum 01. 04. 2010 würde der Steuerbonus auf 400,-- Euro pro BürgerIn und Jahr erhöht - zeitversetzt die MwSt zum 01. 07. 2010 auf 23% erhöht.

     

    Zum 01. 04.2011 würde der Steuerbonus auf 600,-- Euro pro BürgerIn erhöht - zeitversetzt die MwSt zum 01. 07. 2011 auf immer noch EU-konforme 25% - wie heute schon in Dänemark und Schweden der Fall.

     

    "Die spinnen die Germanen" könnten die Briten sagen, doch das Ganze ist mehr als ein Nullsummenspiel: wir hätten indirekt eine Umverteilung von Oben nach Unten, die Nachfrage stabilisiert und dafür kein weiteres Loch im Bundeshaushalt geschaffen - und so die Deflationsgefahr mit einer horrenden Arbeitslosigkeit gebannt.

     

    Ludwig Paul Häußner

    Universität Karlsruhe (TH) - IEP

  • IN
    Ihr Namealdo

    O sancta simplicitas, o heiige Einfalt, o heiligs Blechle, wie man in meiner ehemaligen Heimat sagt. Allmählich verstärkt sich bei mir der Eindruck, wir werden vom Quatsch Comedy Club regiert. Bei so viel Dogmatismus, Verbortheit und Unverstand, die sich ganz oben in der Merkel/ Steinbrück Administration angesammelt hat, kann man nur ausrufen den Spruch, der damals Ende 2001, als Argentinien in ein Finanz- und Staatschaos versank, von den Massen gerufen wurde: !Que se vayan todos, ihr (da oben)haut alle ab und sucht euch ein anderes Volk!