Kritik an Norbert Hansen: Ex-Gewerkschafter wird Bahnvorstand
Norbert Hansen war als Gewerkschaftchef von Transnet vehement für die Bahnprivatisierung. Jetzt wird er Vorstandsmitglied der Bahn AG.

Vom Chef der Bahn-Gewerkschaft Transnet in den Vorstand der Bahn: Mit diesem Wechsel hat Norbert Hansen einen Proteststurm ausgelöst - nicht nur bei Kritikern des Bahn-Verkaufs, die Hansens Unterstützung der Privatisierung schon lange verwunderlich fanden. Claus Weselsky, Vorsitzender der konkurrierenden Gewerkschaft der Lokführer, sieht den "Wechsel auf einen gut dotierten Posten auf der Arbeitgeberseite" als "Ergebnis einer konsequenten Politik", sagte er der taz. Auch bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat die Personalie "heftiges Kopfschütteln" ausgelöst, berichtete Sprecher Harald Reutter.
Hansen, der seit 1999 an der Gewerkschaftsspitze steht, trat gestern als Transnet-Vorsitzender zurück und bestätigte, dass er als Arbeitsdirektor in den Bahn-Vorstand wechselt. Kritik wies er zurück: "Mir vorzuhalten, ich hätte in den vergangenen Monaten meine Position geändert, um an einen Posten zu kommen, ist abwegig", sagte er der Frankfurter Rundschau.
Der SPD-Linke Hermann Scheer verwies hingegen auf die besondere Rolle von Hansen bei der Bahn-Privatisierung: "Er war der erste, der den Privatisierungskompromiss der SPD gezielt aufgeweicht hat." Eine Beschränkung der Privatisierung auf 24,9 Prozent, auf die sich die SPD geeinigt hatte, war von Transnet anders als vereinbart nicht im Tarifvertrag festgelegt worden. "Das ist ein Vertrauensbruch in einem wesentlichen Punkt", sagt Scheer. Dass Hansen nun mit einem Vorstandsposten belohnt werde, sei "schamlos" und werde in der SPD zu einer neuen Debatte über die Privatisierung führen. Der Antrag zum Verkauf der Bahn wurde gestern in den Bundestag eingebracht und soll Ende Mai verabschiedet werden. Das Bündnis "Bahn für alle" forderte, die SPD müsse nun "die Notbremse ziehen".
Empört sind auch die Grünen: "Dieser Wechsel hat nicht nur ein Geschmäckle, er stinkt zum Himmel", sagte der verkehrspolitische Sprecher Winfried Herrmann der taz. "Dass der einzige Gewerkschafter weltweit, der für eine Privatisierung gestreikt hätte, nun die Seiten wechselt, bestätigt alle, die Transnet schon immer für eine gekaufte Gewerkschaft gehalten haben". Selbst Horst Friedrich von der FDP sieht in Hansens Wechsel "eine Erklärung für seine Politik der letzten Monate". Gregor Gysi, Fraktionschef der Linken, zieht Parallelen zu den Vorwürfen gegen dessen Volkswagen-Personalvorstand Peter Hartz: "Was Hartz bei VW war, wird Hansen jetzt bei der Bahn."
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen