Kritik an Lebensmittelkennzeichnung: „Klöckner blockiert Ampel“
Ernährungsministerin Julia Klöckner müsse aufhören, mit der Zuckerlobby zu kuscheln. Das sagt Oliver Huizinga von der Verbraucherorganisation Foodwatch.
taz: Herr Huizinga, Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) will eine Verbraucherumfrage durchführen, wie die Nährstoffgehalte von Lebensmitteln gekennzeichnet werden sollen. Brauchen wir das?
Oliver Huizinga: Nein, es gibt längst ein erprobtes und verbraucherfreundliches Modell: die sogenannte Nutri-Score-Ampel aus Frankreich. Aber Unternehmen, die die Ampel schon einführen möchten, bekommen rechtliche Probleme. Man kann sagen, dass Julia Klöckner die Einführung der Ampel blockiert, weil sie nicht die rechtliche Grundlage für die Industrie schafft, das hierzulande umzusetzen.
Worum geht es bei diesen Lebensmittelkennzeichnungen?
Im Supermarkt ist es so, dass viele Menschen kaum erkennen können, wie ungesund oder gesund Lebensmittel sind. Die Angaben, die im Moment da drauf stehen, sind im Kleingedruckten, ohne Einordnung. Da soll es jetzt eine Verbesserung geben: Auf der Vorderseite soll es eine einfachere, für Verbraucher verständliche Kennzeichnung geben. Denn man trifft ja Kaufentscheidungen im Supermarkt innerhalb von wenigen Sekunden. Da gibt es verschiedene Modelle die in der Diskussion sind.
Warum halten sie den Nutri-Score, der Produkte anhand einer fünfstufigen Farbskala bewertet, für am sinnvollsten?
Die wissenschaftliche Forschung zeigt ganz klar, dass farbliche Kennzeichnungen am effektivsten sind. Nun hat Julia Klöckner eine Bundesbehörde angewiesen, noch einmal ein eigenes Modell zu entwickeln, offensichtlich mit der Vorgabe, keine Farben zu verwenden. Und da muss man wirklich sagen: Hier spielt sie der Zuckerlobby und der Süßwarenlobby in die Hände.
33-Jährige leitet die Abteilung Recherche und Kampagnen bei der Verbraucherorganisation Foodwatch Deutschland.
Anscheinend ist eine vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft beauftragte Studie auch zum Schluss gekommen, dass der Nutri-Score die beste Lösung sei. Die wurde aber nicht veröffentlicht.
Frau Klöckner spielt hier nicht mit offenen Karten. Wir haben mehrfach diese Studie angefragt und Informationsfreiheitsanträge gestellt. Bis heute weigert sich Frau Klöckner, die Fakten auf den Tisch zu legen. Bis heute hat sie nur eine durch das Ministerium redigierte Fassung herausgegeben und nicht das wissenschaftliche Original.
Was fordern Sie von Ministerin Klöckner?
Frau Klöckner muss aufhören, mit der Lebensmittellobby zu kuscheln. Ein Kennzeichnungssystem muss nicht den Industrieverbänden gefallen, sondern muss verbraucherfreundlich sein. Verbraucher sollen damit möglichst informiert und einfach einkaufen können. Das Kennzeichnungssystem soll nicht die Lobbyisten in die Lage versetzen, ein Produkt auszuwählen, sondern Verbraucherinnen und Verbraucher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen