Kritik an Kölner Polizei: 13 Stunden in Gewahrsam
Nach den Demos gegen den Anti-Islam-Kongress soll die Kölner Polizei Jugendliche rechtswidrig festgehalten haben, kritisieren Eltern.
KÖLN taz Der Anruf kam frühmorgens um kurz nach 3.30 Uhr. Über sieben Stunden war es nun schon her, dass Urs M. das letzte Mal von seinem Sohn David und Tochter Theresa etwas gehört hatte. Danach waren den beiden die Handys abgenommen worden.
Nun meldete sich das Jugendamt. David sei jetzt aus dem Polizeigewahrsam entlassen worden. Bei der Tochter dauerte es noch bis 4.45 Uhr, bis auch sie ihre Freiheit zurückerlangte - nach über 13 Stunden, die sie zunächst in einem Kessel, dann im Polizeibus und zuletzt in der Gefangenensammelstelle Brühl hatte verbringen müssen.
Dann endlich konnten die beiden die verspätete Rückreise von Köln nach Hannover antreten. "Ich bin einfach nur stinksauer darüber, wie die Polizei mit meinen Kindern umgegangen ist", empört sich Urs M. - und ist mit seinem Unmut nicht alleine.
Denn gemeinsam mit mehreren zehntausend Menschen hatten die beiden 16 und 18 Jahre alten Jugendlichen eigentlich nur gegen den rechtsradikalen "Anti-Islamisierungskongress" in Köln protestieren wollen. Doch die beiden haben sich offensichtlich nichts zuschulden kommen lassen: Straftaten wirft die Polizei ihnen nicht vor, es wurde kein Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet. So wie ihnen erging es zahlreichen Teenagern am vorvergangenen Wochenende. Ende dieser Woche würden die ersten Anzeigen von Betroffenen eingereicht, kündigte die Bonner Rechtsanwältin Anni Pues. Die stundenlangen Ingewahrsamnahmen seien in den meisten Fällen rechtswidrig gewesen.
Laut Polizeiinspekteur Dieter Wehe waren bei den Protesten an drei Stellen in der Innenstadt 871 Demonstranten umstellt worden, weil aus deren Mitte Steine geworfen und Container angezündet worden sein sollen. Letztendlich seien von den Eingeschlossenen 394 nach Brühl gebracht worden, darunter 72 Jugendliche und drei Kinder, berichtete er dem Innenausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen. "Für eine Rechtswidrigkeit des Polizeigewahrsams liegen keine Hinweise vor", sagte Wehe.
Die Polizei habe ihre Arbeit "souverän bewältigt", sagte NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP). "Eltern, die ihre Kinder für alt genug halten, zur Demo zu gehen, dürfen sich nachher nicht beschweren", sagte CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst. "Polizisten sind keine Super-Nannys."
Die Grünen kritisierten den Einsatz: "Es kann und darf nicht sein", dass Jugendliche keinen Kontakt zu ihren Eltern hätten aufnehmen können und erst nach über zwölf Stunden freigelassen worden seien, sagte die innenpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion, Monika Düker. "Dies entspricht nicht dem Jugendschutz und ist als polizeiliche Maßnahme unverhältnismäßig."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei