Kritik an Fußball-Aktion: Reichelt gegen Hertha-Hinknien
Die Spieler von Hertha BSC haben sich am Wochenende vor dem Spiel hingekniet. „Bild“-Chef Julian Reichelt gefällt das gar nicht.
„Dieser Protest ist dumm und unangebracht.“ Die Überschrift über dem Kommentar lässt schon erahnen, dass Julian Reichelt, der Bei-Bild-für-alles-Verantwortliche, das Hinknien der Spieler von Hertha BSC am Samstag im Olympiastadion für eine mittelgute Idee hielt und hält.
Ja, man kann es billig finden, sich nun US-amerikanischen Sportlern anzuschließen, um Applaus einzuheimsen. Dass auch noch eine Werbeagentur involviert war, wie es bei Welt.de steht, macht das Ganze nicht gerade glaubwürdiger.
Aber: Julian Reichelt geht es gar nicht um PR oder so was; er führt andere, gewichtigere Gründe an:
1. „Fußballvereine sind Fußballvereine und keine Parteien oder politischen Organisationen.“
Ergo: Fußballer und ihre Klubs sollen spielen und ihre Meinungen für sich behalten. Das sollte sich jeder Sportler für zukünftige Interviewanfragen aus der Bild-Redaktion merken.
2. Die US-Flagge sei in Berlin während des Kalten Krieges ein Zeichen dafür gewesen, „dass die USA die Freiheit Berlins unter allen Umständen verteidigen würden“. Deshalb sei diese Form des Protests in Berlin „nicht nur unangebracht, sondern dumm und geschichtsvergessen“.
Man kann natürlich auch zu dem Schluss kommen, dass gerade das Berliner Olympiastadion ein geeigneter Ort ist, um für Vielfalt und gegen Rassismus zu protestieren. Ein paar Erinnerungshilfen: Olympia 1936, Nazis, Hitler (bekannt aus Dokus des ebenfalls zu Springer gehörenden Senders N24). Daran nicht zu denken ist nicht nur unangebracht, sondern dumm und geschichtsvergessen.
3. „All dies wissen die Hertha-Millionäre, die nie in ihrem Leben wirklich für etwas kämpfen mussten, vermutlich nicht.“
Ach, das Verwöhnte-Millionäre-Stammtisch-Argument. Reichelt weiß vermutlich nicht, wie hart es ist, sich durch Jugendmannschaften zu kämpfen, wie entbehrungsreich das ist, welch brutaler Wettbewerb – ohne zu wissen, ob es am Ende reichen wird. Aber natürlich, wer das schafft, hat nie in seinem Leben für etwas gekämpft. Zumindest nicht so hart wie der Kämpfer und Hobbygeschichtsnachhilfelehrer Reichelt.
4. „Eitel und selbstgerecht freuen sie sich über ein bisschen billigen Applaus.“
Ach, eitel und selbstgerecht, wer ist das nicht? Oder, Herr Reichelt?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles