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Kritik an Behörden-PlanungSchulplan mit Schlagseite

Der neue Hamburger Schulentwicklungsplan stößt auf Kritik, weil er die Stadtteilschulen belaste. Kreiselternräte fordern mehr Grundschulen.

Eltern und Schüler in Altona demonstrieren gegen Verdichtung der Grundschulen Foto: Leonie Wagner

Hamburg taz | „Schöne Ferien!“ wünschte der Elternrat der Ida-Ehre-Schule ironisch, als er am letzten Schultag zur Demo aufrief. Recht kurzfristig erfuhr die Stadtteilschule, dass sie nach den Ferien mehr Schüler von den umliegenden Gymnasien in den beengten Räumen ihres Altbaus aufnehmen soll als erwartet. Und laut neuem Schulentwicklungsplan soll sie statt sechs künftig sieben bis acht Klassenzüge haben.

Warum, fragte Rednerin Helga Wendland auf der Demo, sei in Eimsbüttel keine weitere Stadtteilschule, sondern nur ein neues Gymnasium geplant. „Da hätten die Kinder, die das Gymnasium verlassen müssen, Platz und es gäbe eine weitere Schule, die inklusiv ist“, sagt Wendland, frühere Schulleiterin und Mit glied im „Verband für Schulen des gemeinsamen Lernens“.

Schulentwicklungspläne wie der im Mai von Schulsenator Ties Rabe (SPD) vorgelegte führen stets zu Debatten. Doch diesmal ist die Zeit dafür wegen der Ferien stark verkürzt. Protest kann sich kaum formieren. Es liegen aber bereits 200 Stellungnahmen vor.

Laut Wendland hat Rabes Plan eine Schlagseite. „Gymnasien behalten fast alle ihre Zügigkeit“, sagte sie. „Die Stadtteilschulen werden fast alle größer – bis hin zur 8-Zügigkeit“. Eine weiterführende Schule sollte aber nur sechszügig sein.

Der Schulplan

Laut Plan baut die Stadt 39 neue Schulen: 20 Grundschulen, fünf Gymnasien, zwei Stadtteil-, zehn Campus-Schulen sowie drei weitere. 120 Schulen werden verdichtet.

Schulen und Kreisgremien nahmen bis Juni Stellung, Bezirke und Kammern äußern sich bis zum 30. August. Der Plan wird überarbeitet und im Herbst verabschiedet.

Rabe spricht lieber über die erbauliche Seite des Plans. 39 neue Schulen wird Hamburg bekommen und vier Milliarden Euro dafür ausgeben. Nur ist der Bedarf wegen Zuzugs und steigender Geburten doppelt so hoch. An 120 Schulen sollen die Kinder enger zusammenrücken.

Besonders trifft dies den Altonaer Kern, Region 4 genannt. Wegen der Wohnungsbauoffensive entstanden hier 22 neue Quartiere, zudem wurden Häuser aufgestockt und Baulücken geschlossen. Bis 2023 werden 40 Prozent mehr GrundschülerInnen erwartet. Deshalb werden rund 1.150 Schüler zusätzlich auf fünf vorhandene Grundschulen verteilt werden. Die die frühere Schulleiterin Barbara Riekmann kritisierte das auf einer Altonaer Demo: „Wir finden, dass diese Ausweitung auf dem vorhandenen Gelände nicht gut tut.“

Die Schulbehörde habe versäumt, Flächen für neue Schulen zu sichern, kritisiert auch der Kreiselternrat 21. Nötig sei der Bau zwei neuer Grundschulen auf dem Gelände Gasstraße sowie am Bahnhof Diebsteich. Kritisch sieht der Rat auch die knappe Beratungszeit. Nötig sei eine regelmäßige „Regionale Bildungskonferenz Schulbau“, für eine gute Planung brauche man „mehr Zeit“.

Ganz ähnlich lautet die Kritik des Kreiselternrates 73 in Süderelbe. Auch dort führt Wohnungsbau zu mehr Kindern. Gleich drei Grundschulen sollen sechszügig werden. Die sei „bedenklich“. Nötig wären zwei weitere Grundschulen in den Neubaugebieten Fischbeker Heidbrook und Fischbeker Reethen. Dort waren mal Flächen für Schulen vorgesehen, „die im Laufe der Planung sang und klanglos verschwanden“, berichtet die Schulpolitikerin der Linken, Sabine Boeddinghaus. Die Planung der Behörde mute den Kindern lange Schulwege zu.

Die Linke wirft Rabe vor, nicht pädagogisch zu agieren. Ein Beispiel seien die zehn geplanten „Campus-Schulen“, die Stadtteilschule und Gymnasium unter einem Dach vorsehen. Dies schaffe laut Rabe Flexibilität. Doch schulpolitisch fällt der Vorschlag selbst bei der Lehrerkammer durch: Dies „gefährdet die Arbeit der integrierten Stadteilschule“. Campus-Schulen würden dieser die Kinder mit Gymnasialempfehlung abspenstig machen. Das gefährde den Schulfrieden.

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