Krisenherde 2024: Wo die Not weiter wachsen wird
In Sudan und Gaza dürfte im kommenden Jahr der Hilfsbedarf am stärksten steigen. Doch auch anderswo ist die Lage prekär.
An der Spitze der IRC-Katastrophenliste steht Sudan. Dort kämpfen seit April die Armee und die Miliz RSF (Rapid Support Forces) um Macht und Einfluss. Der Krieg wird auf dem Rücken der Zivilbevölkerung ausgetragen, insbesondere in der Hauptstadt Khartum und in der Region Darfur. Von rund 48 Millionen Einwohnern sind nach UN-Angaben mittlerweile fast 7 Millionen auf der Flucht. „Die großflächige urbane Kriegsführung, die Gefahr, dass sich die Kämpfe auf andere Regionen ausbreiten, und eine geringe internationale Aufmerksamkeit können dazu führen, dass sich die Lage 2024 noch dramatisch verschlechtert“, heißt es im IRC-Bericht. Seit seinem Erscheinen hat der Krieg die Provinz Gezira an der Grenze zu Äthiopien erreicht, wohin sich zahlreiche Menschen aus Khartum geflüchtet hatten; nun sind bis zu 300.000 erneut auf der Flucht.
Der Gazastreifen gilt weltweit als der gefährlichste Ort für die Zivilbevölkerung, seit israelische Militärschläge weite Gebiete zerstört und 85 Prozent der Bevölkerung obdachlos gemacht haben. Auf der IRC-Rangliste steht Gaza nur auf Platz zwei, aber UN-Hilfswerke sagen, nirgendwo sonst habe sich zuletzt die humanitäre Lage so dramatisch verschlechtert. Nach Datenauswertungen des internationalen Hungerfrühwarnsystems IPC leben mittlerweile über 90 Prozent der rund 2,3 Millionen Einwohner des Gazastreifens in „akutem Hunger“, Phase 3 der fünfstufigen IPC-Skala: sie haben nicht täglich zu essen und müssen ihren Besitz verkaufen, um an Lebensmittel zu kommen. Ein Viertel der Bevölkerung Gazas lebe sogar in „hungersnotähnlichen Zuständen“, die weltweit sehr seltene Phase 5, in der Zugang zu Nahrungsmitteln völlig fehlt und mindestens zwei von 10.000 Menschen pro Tag an Hunger sterben.
Südsudan, die Nummer drei, leide massiv unter den Auswirkungen von Konflikten und Klimawandel, heißt es im IRC-Bericht. Von den 11 Millionen Einwohnern sind rund 9 Millionen nach UN-Angaben auf humanitäre Hilfe zum Überleben angewiesen, dazu kommen über 400.000 Flüchtlinge aus Sudan. Für das kommende Jahr werden dort erneut Überschwemmungen erwartet, ausgelöst durch das Extremwetterphänomen El Niño.
Auch Burkina Faso, Myanmar und Mali stehen vor einer starken Verschlechterung, gefolgt von Somalia, Niger, Äthiopien und der Demokratischen Republik Kongo. In Kongo ist die Zahl der Binnenvertriebenen nach UN-Angaben auf knapp 7 Millionen gestiegen, bei rund 100 Millionen Einwohnern.
Die humanitäre Koordinationsstelle der Vereinten Nationen (OCHA) weist darauf hin, dass 2023 zum ersten Mal seit vielen Jahren die über das UN-System abgewickelte humanitäre Hilfe weltweit stark gesunken ist, von 41,1 auf 29 Milliarden US-Dollar. Während die UN-Hilfsprogramme für die besetzten palästinensischen Gebiete im ablaufenden Jahr zu 100 Prozent finanziert waren, kam keines der anderen neun Länder über 50 Prozent hinaus. Südsudan liegt mit 50 Prozent Deckung des Hilfsbedarfs an der Spitze, Myanmar und Mali sind mit 30 und 27 Prozent Schlusslicht. Dies hat vor allem damit zu tun, wie offen die jeweiligen Regierungen für ausländische Hilfe sind.
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