Krisenforscher über Schokourteil: „Den falschen Gegner ausgesucht“
Frank Roselieb sieht den Schaden für die Stiftung Warentest nach der Niederlage gegen Ritter als begrenzt an. Ihre Sturköpfigkeit wundert ihn aber.
taz: Herr Roselieb, wie groß ist der Vertrauensverlust für die Stiftung Warentest durch dieses Urteil?
Frank Roselieb: Der Vertrauensverlust wird begrenzt bleiben. Denn die Stiftung Warentest hat eine lange Tradition, arbeitet nicht gewinnorientiert und ist über alle Medien hinweg gut aufgestellt. So kann sie die Tests und Verfahren transparent darstellen und Reputation zurückgewinnen. Wenn sie weiterhin stur bleibt und die nächste Instanz verliert, sieht es schon anders aus.
Die Tester sollen also auf die Berufung verzichten, obwohl sie sich bei ihrem Prüfverfahren fehlerlos wähnen?
Mich hat die Sturköpfigkeit der Stiftung in diesem Fall von Anfang an gewundert. Auch Tests sind nicht perfekt. Hier wurde einfach behauptet, dass die von Ritter benötigte Menge Piperonal nicht auf natürlichem Wege erzeugt werden könne. Dabei braucht Ritter im Jahr vielleicht 7 oder 8 Kilogramm davon. Diese Menge lässt sich natürlich gewinnen. Dieser Hochmut hat mich überrascht.
Schadet diese Sturheit dem Image mehr als das Eingeständnis eines Fehlers?
So ist es. Das sieht man auch bei Politikerrücktritten. Es wird einem übel genommen, wenn man einen Fehler nicht eingestehen kann. Mit Ritter hat sich die Stiftung zudem den falschen Gegner ausgesucht. Das ist eine grundsolide Firma mit einem Ökounternehmer an der Spitze.
44, ist geschäftsführender Direktor und Sprecher von Krisennavigator – Institut für Krisenforschung, einem Ableger der Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Werden sich nach der ersten Niederlage der Stiftung auch andere Unternehmen gegen deren Urteile wehren?
Ich glaube nicht an eine Klagewelle gegen die Warentester. Normalerweise werden die Tests vorher mit der Industrie abgestimmt und sehr genau durchgeführt. Gegen die Bewertung vorzugehen dürfte kaum erfolgreich sein. Bei Ritter liegt der Fall anders. Das Unternehmen hat sich nicht gegen die Note „mangelhaft“ gewehrt, sondern nur gegen die Behauptung, Inhaltsstoffe falsch zu deklarieren. Hier lag die offene Flanke beim Test. So angreifbar sind andere Tests nicht.
Gibt es vergleichbare Fälle?
Wir haben lange gesucht. Bekannt ist nur der Fall des Nudelherstellers Birkel, der unerlaubt Flüssigeier bei der Herstellung einsetzte und durch eine völlig überzogene Behördenwarnung einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden erlitt. Das Unternehmen konnte einen Millionenbetrag als Schadenersatz vom Land Baden-Württemberg erstreiten. Ansonsten haben wir keinen David gefunden, der sich gegen den Goliath erfolgreich wehren konnte.
Was sollte die Stiftung nun tun?
Sie sollte aus dem Schmollwinkel herauskommen und ihre Testkriterien verbessern. Auch stünde ihr ein wenig mehr Zurückhaltung bei der Präsentation spektakulärer Testergebnisse gut zu Gesicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid