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■ H.G. HolleinKrise

Die Frau, mit der ich lebe, jährt sich dieser Tage mal wieder. Da-ran ist an sich nichts Schlimmes, nur dass sie diesmal primt. Und der Eintritt in ein Alter, das nur durch sich selbst teilbar ist, sei eben nichts Halbes und nichts Ganzes. So mosert sie denn vor sich hin, verwahrt sich erbittert gegen Gratulanten („Sind ja doch alles Schnorrer!“) und beißt alles weg, was Gaben bringen will („Die Spanner wollen ja nur gu-cken, wie eine 47-Jährige aussieht!“). So ist es denn nicht ganz leicht, der Gefährtin Ehrentag einigermaßen besinnlich zu gestalten. Bringe ich ihr ein weich gekochtes Ei ans Bett, wird gemutmaßt, härtere Bissen traue ich ihr wohl nicht mehr zu, trage ich der Jubilarin ein Gläschen Sekt mit Pralinés an, heißt es, ihre Linie sei mir, scheints, mittlerweile vollkommen egal. Und präsentiere ich der Gefährtin stolz einen körperlangen Kimono, lautet der Verdacht natürlich, ich wolle nur noch möglichst wenig von ihr sehen. Kurz, solche Tage sind der Sensibilissima sonnigste nicht. Es nützt dann auch nichts, der Gefährtin vermitteln zu wollen, dass auch noch jenseits des Lebens Mitte der eine oder andere ergötzliche Moment wartet. An so einem Untag hilft nur, brav den Buckel hinzuhalten und die vergossenen Kübel des Verdrusses hinter der Gefährtin aufzuwischen. Gegen Abend hat sich die Gefährtin ja auch wieder gefasst. „So will ich denn wohl tapfer den Rest meines Weges auf mich nehmen“, seufzt sie ergeben und zwingt sich hier ein Schnittchen, da ein Küchlein rein. Und nur noch gelegentlich wetterleuchtet es in den vertrauten lieben Zügen, bis sie sich schließlich zur Ruhe bettet. So liegen wir dann nebeneinander, ein sanft versöhnenender Schlummer senkt sich herab, und ein langer Tag kann enden. Fast. Kurz vor dem endgültigen Fall in Schlafes Arme dringt ein Zischen in mein Ohr, dessen Botschaft lautet: „Glaub ja nicht, dass du mich jetzt einfach für eine Jüngere abschieben kannst.“ Ideen hat die Frau...

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