Krise in der Ukraine eskaliert: Regierungskritikerin brutal verprügelt
Die oppositionelle Journalistin Tetjana Schornowil wurde zusammengeschlagen. Nicht nur Vitali Klitschko und Julia Timoschenko sind entsetzt.
KIEW afp | Eine bekannte oppositionelle Journalistin ist in der Ukraine überfallen und brutal zusammengeschlagen worden. Die für ihre kritischen Berichte über Präsident Viktor Janukowitsch bekannte Tetjana Schornowil sei auf dem Weg nach Kiew von mehreren Unbekannten angegriffen worden, teilte die Polizei am Mittwoch mit. Oppositionsvertreter reagierten empört auf die Attacke und warfen Janukowitschs Regierung vor, die europafreundliche Opposition mundtot machen zu wollen.
Schornowil sei in der Nacht zum Mittwoch in der Nähe von Kiew mit dem Auto unterwegs gewesen, als sie von Unbekannten verfolgt worden sei, teilte die Polizei mit. „Der Fahrer des verdächtigen Fahrzeugs begann, sie zur Seite abzudrängen. Als sie anhielt, schlugen mehrere Männer die Scheibe ihres Autos ein, zogen sie heraus und begannen, auf sie einzuschlagen.“ Anschließend hätten die Täter ihr Opfer in einen Graben geworfen. Die 34-Jährige sei kurz nach Mitternacht in der Nähe ihres Autos gefunden worden.
Schornowil schreibt vor allem für die Oppositionswebsite „Ukrainska Prawda“. Sie hatte sich an den proeuropäischen Demonstrationen in ihrem Land beteiligt und veröffentlichte mehrere sehr kritische Artikel über Janukowitsch und sein Umfeld, etwa den umstrittenen Innenminister Witali Sacharschenko. In einem von „Ukrainska Prawda“ veröffentlichten Youtube-Video des Users „Euromaidan 2013“ berichtete sie: „Sie schlugen mir auf den Kopf, sie sagten nichts, sie schlugen nur.“ Laut „Ukrainska Prawda“ erlitt sie einen Nasenbruch, eine Gehirnerschütterung und mehrere Prellungen.
Janukowitsch verurteilte den Überfall und beauftragte Sacharschenko, die Täter zu finden. Die „erfahrensten Ermittler“ seien mit dem Fall beschäftigt, erklärte die Polizei. Noch am Mittwoch gab Sacharschenko bekannt, dass drei Verdächtige identifiziert und zwei von ihnen festgenommen worden seien. Nach dem Bekanntwerden des Überfalls zogen in Kiew hunderte Demonstranten vor Sacharschenkos Amtssitz und forderten seinen Rücktritt. Der Minister stand bereits wegen des Vorgehens gegen die regierungskritischen Proteste Ende November in der Kritik.
„Demonstration von Grausamkeit“
Die inhaftierte Oppositionsführerin Julia Timoschenko erklärte: „Heute haben sie fast Tanja Schornowil getötet und das sollte der letzte Blutstropfen sein, die letzte Demonstration von Grausamkeit gegenüber unserem Volk, die wir durch unsere Untätigkeit zulassen.“ Der Oppositionspolitiker Vitali Klitschko verbreitete Fotos einer blutüberströmten Schornowil und schrieb dazu: „Der gegenwärtige Preis der Pressefreiheit in der Ukraine dank des Systems, das unsere gegenwärtige Regierung errichtet hat.“
Die US-Botschaft in Kiew verurteilte den Angriff auf Schornowil scharf und sprach von einer „Serie“ von Repressionen, die die proeuropäische Opposition offenbar einschüchtern solle. Die EU-Vertretung in der Ukraine kritisierte „zunehmenden Druck auf Aktivisten der Zivilgesellschaft, politische Führer und Journalisten“. Am Dienstagabend war bereits der proeuropäische Aktivist Dmitro Pilipez im ostukrainischen Charkiw mit einem Messer niedergestochen worden.
Janukowitsch hatte Ende November offenbar auf Druck Russlands die lang geplante Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der EU abgesagt. Seitdem sieht sich die Regierung in Kiew mit anhaltenden Massenprotesten konfrontiert, allerdings gingen die Teilnehmerzahlen an den Demonstrationen zuletzt zurück. Am Dienstag zahlte Russland als erste Tranche eines vorige Woche vereinbarten Hilfsprogramms drei Milliarden Dollar (2,2 Milliarden Euro) an die Ukraine.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!