Krise in der Elfenbeinküste: Halb Abidjan wird zur Kriegszone
Seit der Präsidentenwahl vom November 2010 herrschen heftigste Kämpfe in der Elfenbeinküste. Rebellen rücken immer näher auf Laurent Gbagbos Präsidentenpalast vor.
BERLIN taz | Bei den schwersten Kämpfen in der ivorischen Metropole Abidjan seit den Präsidentschaftswahlen vom November 2010 haben sich Rebellen, die den gewählten Präsidenten Alassane Ouattara unterstützen, bis an den Rand des Stadtzentrums vorgekämpft.
Wie Nachrichtenagenturen am Dienstag übereinstimmend meldeten, rückten die sogenannten "Unsichtbaren Kommandos", die in den letzten Wochen faktisch die Kontrolle über die Ouattara-Hochburg Abobo am Nordrand der Stadt übernommen hatten, am Montag in andere Stadtviertel aus und starteten in der Nacht zu Dienstag Großangriffe auf militärische Einrichtungen.
Im Stadtviertel Adjamé tobten demnach schwere Kämpfe um das Elitepolizeicamp CRS der Truppen des noch amtierenden Expräsidenten Laurent Gbagbo. Die Angreifer wurden mit Verstärkung aus einem nahen Gendarmeriehauptquartier zurückgeschlagen. Die Kämpfe seien "sehr heftig" gewesen, sagte ein Polizist gegenüber AFP: "Ohne die Unterstützung der Militärs wäre das Lager gefallen." Dann hätte den Rebellen der Weg ins Zentrum von Abidjan offengestanden. Den Angaben zufolge befanden sie sich keine drei Kilometer von Gbagbos Präsidentenpalast entfernt; Abobo, wo die Rebellen stationiert sind, liegt 10 Kilometer weiter nördlich.
Am Wochenende hatten Gbagbos Truppen ihre bisher größte Offensive gegen die Rebellen in Abobo geführt, wurden aber offensichtlich zurückgeschlagen. Dies folgte auf die endgültige Bestätigung Ouattaras als Präsident der Elfenbeinküste durch die Afrikanische Union (AU). Seitdem hat sich die Lage in Abidjan drastisch verschärft, nachdem die ständigen Kämpfe in Abobo dem Stadtteil bereits den Spitznamen "Bagdad" eingebracht hatten.
Eine Strategie Gbagbos, mit seiner diplomatischen Schlappe umzugehen, ist nicht zu erkennen. Er traf sich gestern mit seinen höchsten Generälen, um Gerüchten entgegenzutreten, er habe die Kontrolle über die Streitkräfte verloren. Gbagbos Jugendminister Charles Blé Goudé, Anführer der radikalen Gbagbo-treuen "patriotischen" Milizen, kündigte einen "historischen Appell zur Befreiung der Elfenbeinküste" an.
Die Rebellen der FN (Forces Nouvelles), die seit 2002 den Nordteil der Elfenbeinküste beherrschen und Ouattara als Präsidenten anerkennen, rückten derweil im äußersten Westen des Landes nahe der Grenze zu Liberia ebenfalls weiter ins Gbagbo-Gebiet vor. Sie nahmen nach eigenen Angaben am Wochenende mit der Kleinstadt Doke eine vierte Ortschaft ein und setzten so ihren Vormarsch entlang der wichtigsten Straße aus dem Grenzgebiet ins Landesinnere fort, den sie vor zwei Wochen begonnen hatten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass