Krise in Georgien: Koalition ohne Mehrheit im Parlament
Nach der Entlassung des Verteidigungsministers verlässt dessen Partei „Freie Demokraten“ die Regierung. Auch die Außenministerin wirft hin.
BERLIN taz | In der Südkaukasusrepublik Georgien bahnt sich eine handfeste politische Krise an. Am Mittwoch gaben die Freien Demokraten, die dem regierenden Bündnis „Georgischer Traum“ angehören, ihren Austritt aus der Koalition bekannt. Diese verliert damit ihre parlamentarische Mehrheit. Am Vormittag hatten Außenministerin Maja Panjikidze sowie ihre vier Stellvertreter ihren Rücktritt bekannt gegeben. „Nicht nur unsere künftigen Aktivitäten, sondern auch das bisher Erreichte sind gefährdet. Daher haben wir uns zu diesem Schritt entschlossen“, sagte Panjikidze.
Am Dienstag hatte Ministerpräsident Irakli Garibaschwili seinen Verteidungsminister Irakli Alasania gefeuert. Dieser hatte Ermittlungsverfahren gegen hochrangige Militärs als politisch motiviert und als „einen Angriff auf die euro-atlantische Wahl Georgiens“ bezeichnet. Im vergangenen Monat waren fünf Armeeangehörige unter dem Verdacht festgenommen worden, Haushaltsmittel in Höhe von 2,3 Millionen Dollar veruntreut zu haben. Drei Militärärzten wird vorgeworfen, für eine Lebenmittelvergiftung hunderter Soldaten 2013 verantwortlich zu sein.
Der Vorwurf selektiver Justiz ist nicht neu, wurde bisher jedoch stets von dem früheren Präsidenten Michail Saakaschwili und seinen Anhängern erhoben. Saakaschwilis Partei Vereinte Nationale Bewegung war dem Bündnis „Geogischer Traum“ des Millionärs Bidzina Iwanischwili bei bei den Parlamentswahlen im Herbst 2012 unterlegen. Saakaschwili selbst durfte bei den Präsidentenwahlen im darauf folgenden Jahr nicht mehr antreten.
Gegen den ehemaligen Staatschef, der in den USA lebt, laufen in Georgien mehrere Anklageverfahren. So soll er öffentliche Gelder für zwei Models, Botox-Injektionen, Haarentfernungen sowie teure Kleidung verwendet haben. Überdies wird ihm Amtsmissbrauch im Zusammenhang mit der Niederschlagung einer Protestaktion am 7. November 2007 in der Hauptstadt Tiflis vorgeworden. Dabei wurden 508 Menschen verletzt.
Der Kampf gegen Vertreter der Opposition mit juristischen Mittel hat auch die Konservativen im EU-Parlament auf den Plan gerufen. So drohte die Volkspartei (EVP) am Dienstag, das Assozierungsabkommen mit Georgien vom 27. Juni dieses Jahres blockieren zu wollen. „Selektive Justiz ist für ein Land unangemessen, das unser Partner ist“, sagte die EVP-Abgeordnete Anna Fotyga. „Wir müssen unser Möglichstes tun und Druck auf die georgische Regierung auszuüben, um diese Aktionen einzustellen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen