Krise der Liberalen: Die letzte Hoffnung der FDP
Die Kritik an Guido Westerwelle steigert sich zu offenen Rücktrittsforderungen. Gute Chancen auf den Parteivorsitz hätte der junge Generalsekretär Christian Lindner.
Die Luft um Guido Westerwelle wird immer dünner. Immer mehr Parteimitglieder aus Bundesländern, in denen 2011 Wahlen anstehen, fordern offen den Rücktritt des FDP-Vorsitzenden. Sie versuchen, durch demonstrative Distanz zum angeschlagenen Parteichef ihre Erfolgschancen zu wahren. Doch die besten Karriereaussichten für die Zeit nach Westerwelle hat einer, der sich ihm gegenüber besonders loyal zeigt: Christian Lindner.
Der junge FDP-Generalsekretär verkauft die irrlichternde Politik seines Chefs mit Bravour. In Pressekonferenzen, Meinungsbeiträgen in Zeitungen, Talkshows und Symposien müht er sich, den Zickzackkurs seiner Partei als gerade Linie zu verkaufen. Meist ohne Manuskript und Denkpausen findet Lindner die gewogenen Worte, nach denen der impulsive Westerwelle vergeblich sucht.
In nur einem Jahr im Generalsekretärsjob hat der 31-Jährige sich vom Nachwuchstalent aus Nordrhein-Westfalen zur Hoffnung weiter Teile der Bundespartei entwickelt, die endlich raus will aus dem Umfragetief.
Für Lindner spricht aus ihrer Sicht seine Fähigkeit, einerseits das bekannte Hohelied auf die Kräfte des Marktes zu singen. Andererseits garniert er dies geschickt mit Verweisen auf die soziale Ader der Freidemokraten. Seinem Förderer Westerwelle ist dieser Balanceakt nie gelungen.
Früher als der Parteichef sah Lindner ein, dass das Beharren auf massiven Steuersenkungen der FDP mehr schaden als nutzen würde. Kritik daran äußerte er vor allem intern. Diese Loyalität rechnen ihm Parteifreunde hoch an. Wobei auch sie wissen, dass diese Treuebekundungen Voraussetzung für Lindner ist, um seinem Vorbild im Amt nachfolgen zu können.
Gesellschaftliche Debatten versucht er, für die Partei zu nutzen. Als der Protest gegen Stuttgart 21 aufkam, plädierte er für "Bürgerkammern" mit zufällig berufenen Mitgliedern, die demokratische Gremien beraten sollten. Auf die Migrationsdebatte reagierte er mit "sechs Thesen für ein republikanisches Integrationsleitbild". Darin müht er sich, dem schwammigen Wort der Union vom "christlich-jüdischen Abendland" ein liberales Ideal entgegenzusetzen, das nicht auf Gott vertraut, sondern auf das Grundgesetz.
So halbherzig diese Anstöße auch geblieben sind: Lindner ist der einzige führende FDPler, der daran arbeitet, seiner Partei nach dem Aus für Steuersenkungen einen neuen Markenkern zu verschaffen. Dies tut der Politologe, der gern die Soziologen Niklas Luhmann und Ralf Dahrendorf zitiert, vor allem aus machttaktischem Kalkül: Lindner will die FDP wieder zu einem möglichen Koalitionär von SPD und Grünen machen.
Damit hat der jungenhafte Lehrersohn weit mehr zu bieten als Rainer Brüderle. Der joviale Bundeswirtschaftsminister wird derzeit zwar gehandelt als möglicher Westerwelle-Nachfolger. Doch der 65-Jährige wäre zum einen ohnehin nur ein Übergangsvorsitzender, der in ein, zwei Jahren den Weg für Lindner freimachen müsste. Zum anderen spitzt sich die Lage der FDP derart zu, dass der Bundesparteitag im Mai 2011 direkt reinen Tisch machen könnte - und nicht erst kurz vor der Bundestagswahl 2013.
Unterstützung für Lindner gibt es reichlich: Die mächtigen Landesverbände aus Nordrhein-Westfalen und Bayern sympathisieren mit ihm. Auch für die traditionellen Westerwelle-Gegner aus Baden-Württemberg ist der Rheinländer kein rotes Tuch.
Ein großes Hindernis bleibt. Für eine geordnete Nachfolge im Parteivorsitz müsste Guido Westerwelle etwas tun, worin er nie gut gewesen ist: einsehen, wann es genug gewesen ist.
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