Krise der Gaming-Magazine: Neue Clickbait-Opfer
Mit „Games Aktuell“ und „GamePro“ werden renommierte Spiele-Magazine eingestellt. Doch warum, wenn es dem Gaming-Journalismus eigentlich gut geht?
Jede Sparte hat ihre Magazine, auch wenn sie noch so klein ist. Luftfahrtbegeisterte haben die Flug Revue, Angler:innen lesen Fisch & Fang, MC1R ist ein Magazin für Rothaarige, und Orgelspieler:innen informieren sich in Die Hausorgel.
Auch Videospiele haben seit Jahrzehnten ihre Magazine am Kiosk. Inzwischen ist Gaming aber längst kein Nischenthema mehr, sondern ein Multimilliardengeschäft. Doch der Journalismus rund um Spiele ist – bis auf wenige Ausnahmen – ein Geschäft mit Reichweite. Zudem stecken die Print-Gaming-Magazine in einer tiefen Krise. Das zeigt jüngst auch die Einstellung der beiden ehemals großen Magazine Games Aktuell und GamePro.
Dabei ist das große Sterben des Print-Marktes nichts Neues. Erst recht nicht in Zeiten des immer stärker werdenden Online-Journalismus. Doch die Schnelligkeit geht oft zulasten investigativer Recherchen. So auch bei Videospielen. Erscheint ein Spiel erst kurz nach Veröffentlichung der aktuellen Print-Ausgabe, ist eine differenzierte Besprechung einen Monat später uninteressant.
Auch aktuelle Neuigkeiten sind bis dahin längst bekannt und brauchen keinen Platz mehr auf den gedruckten Seiten. Gaming-Magazine waren in den letzten Jahren meist nur eine Sammlung von Texten ihrer meist gleichnamigen Online-Seiten.
Nicht nur GamePro des französischen Verlags Webedia und Games Aktuell vom deutschen Computec Media Verlag haben ihr Aus verkündet. Im März 2023 wurde das von seinen Nutzer:innen finanzierte Online-Magazin Wasted eingestellt, gefolgt vom GAIN Magazin im Herbst. Vor allem Wasted versuchte es mit einem feuilletonistischen Ansatz, konnte aber nicht bestehen.
Reißerische Artikel
Die Besprechung von Videospielen beschränkt sich oft auf grafische Einstellungen, die erzählte Geschichte und wie sich das Spiel selbst spielt. Die technikaffine Berichterstattung vernachlässigt aber oft die politischen und kulturellen Aspekte, die das Medium mit sich bringt. Themen wie Rechtsextremismus im Gaming, der wachsende Brancheneinfluss Chinas, russische Spiele-Propaganda oder auch unreflektierter US-Patriotismus sind im Gaming-Journalismus nur Randerscheinungen. Die Online-Magazine gehen den Bereich „Games-Feuilleton“ nur zaghaft an.
Online sind es ohnehin die reißerischen Artikel, die die meisten Aufrufe generieren. Doch versteckt sich hinter den Überschriften nur wenig Inhalt. Während das Alltagsgeschehen hierzulande von Focus Online und Bild in zig Clickbait-Meldungen verarbeitet wird, sind es bei den Gaming-News Seiten wie inGame oder IGN.
Neben dem Clickbaiting sind es Provisionen durch Affiliate-Links, die online Geld bringen, und die gängigen Paywall-Abonnements. Auch Werbedeals mit externen Marken sind inzwischen die Norm. Hinter den Kulissen werden Redakteur:innen trotz Qualifikationen oft zu niedrigen Löhnen eingestellt.
Die finanziellen Hochzeiten waren für die meisten Magazine spätestens Mitte der 2000er Jahre vorbei. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis verbleibende Gaming-Magazine wie Play5 oder N-Zone zum letzten Mal Spiele besprechen.
Der Spielejournalist Markus Schwerdtel zieht trotz des Rückgangs der Print-Magazine ein sehr positives Fazit: „Dem Spielejournalismus geht es so gut wie nie, sowohl in Deutschland als auch international. Man muss sich nur davon lösen, dass es unbedingt ein gedrucktes Magazin oder eine klassische Website sein muss.“
Schwerdtel ist Mitglied der Chefredaktion der GameStar, die sowohl die gleichnamige Website als auch das Print-Magazin betreibt. Auch die GamePro zählte bis vor Kurzem noch zu ihrem Repertoire, rentierte sich aber nicht mehr. Er sieht die Herausforderung des Gaming-Journalismus darin, möglichst viele unterschiedliche Formate zu produzieren, wie Podcasts, Tests, News und Videos.
„Wir als Inhaltersteller:innen müssen es schaffen, für jeden Nutzer:innenbedarf, für jede Situation die passende Antwort zu haben, wie wir es eben bei GameStar versuchen“, so Schwerdtel. „Das alles gibt es zwar vielleicht nicht unbedingt konzentriert an einem Ort und auch nicht immer gratis, aber wer sich etwas umschaut, bekommt alle Informations- und vor allem auch Unterhaltungsbedürfnisse gestillt. Und zwar in einer Vielfalt und Tiefe, wie sie zu den Spielejournalismus-Anfangszeiten vor rund 40 Jahren unvorstellbar gewesen wäre.“
An Glaubwürdigkeit verloren
Deutlich kritischer sieht das der Hamburger Autor Jörg Luibl. Er war über 20 Jahre Chefredakteur der Seite 4Players, bis er sich 2021 mit dem Online-Magazin Spielvertiefung selbstständig gemacht hat. Er distanziert sich vom Reichweitenjournalismus und widmet sich in Podcasts sowie Artikeln kulturellen Bezügen zwischen Spielen, Literatur und Geschichte.
Luibl sagt: „Der Spielejournalismus der großen Magazine hat seine Glaubwürdigkeit und Relevanz über viele Jahre verloren, weil Verlagsleiter und Chefredakteure in erster Linie Service für die Publisher, also die Werbepartner, betrieben haben. Das haben die Leser natürlich gemerkt, wenn Mittelmaß bejubelt wurde oder es plötzlich Dutzende News zu einem Spiel gab, das bald erscheint.“
Der Autor sieht auch die Absprachen im Hintergrund kritisch: „An der Oberfläche gibt man sich unabhängig, aber hinter den Kulissen gibt es Kooperationen mit Spieleherstellern, in denen die Art und Anzahl der Inhalte festgelegt wird. Hinzu kommen viele Seilschaften und Gefälligkeiten.“
Laut Luibl unterwerfe sich der Gaming-Journalismus vollständig den Algorithmen und setze nur noch auf Clickbait und Keywords. Der investigative journalistische Inhalt bleibe meist auf der Strecke, ebenso wie faire Vergütungen. „Die Gehälter für Redakteure sind niedrig und die Leidenschaft für Spiele wird ausgenutzt, sodass unbezahlte Überstunden quasi vorausgesetzt werden“, so Luibl.
Die große Herausforderung an den Spielejournalismus ist, dass er sich in den kommenden Jahren nicht weiter verwässert.
Er muss sein Sichtfeld erweitern, investigativer und seriöser werden. Sonst läuft er Gefahr, sich nur auf Tech-News zu beschränken. Im schlimmsten Falle wird er sich so selbst abschaffen.
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