Krise bei RB Leipzig: Stagnation auf hohem Niveau
Bei RB Leipzig muss Marco Rose mit seiner Entlassung ausbaden, was schon länger schiefläuft. Die Identität des Klubs dürfte sich drastisch ändern.
Auf die „Wall of Fame“ hat es Marco Rose noch geschafft. Sein ikonisches Bild, leicht angeschlagen, mit rotem Anglerhut tief ins Gesicht gezogen, breit grinsend, ist auf einer Wand in den Tiefen des ehemaligen Leipziger Zentralstadions verewigt. Er gehört damit zu den „Legenden“ des Klubs. Doch Trainer von RB Leipzig ist Rose seit Sonntag nicht mehr.
Ein blutleeres 0:1 bei Borussia Mönchengladbach, einem direkten Konkurrenten im Kampf um die internationalen Wettbewerbe, kostete den gebürtigen Leipziger den Job. Nach 125 Pflichtspielen. Schon zwei Mal hatte er zuvor auf der Kippe gestanden, jetzt wollten die Bosse handeln, da die Qualifikation des Männerteams zur Champions League akut in Gefahr ist. „Ausbleibende Ergebnisse“, „neuer Impuls“ und „Saisonziele erreichen“ waren die Schlagworte von Marcel Schäfer, Sportgeschäftsführer bei RB, mit denen er die Trennung begründete. Zusammen mit dem „Head of Global Soccer“, Jürgen Klopp, gilt Schäfer als einer der letzten Fürsprecher von Rose. Sie wollten eigentlich die Saison sauber zu Ende bringen. Doch jetzt scheint ein tiefgreifender Umbau unausweichlich.
Entscheidend für den Prozess ist Oliver Mintzlaff. Er ist Geschäftsführer bei Red Bull und Aufsichtsratschef im Klub. Im September hatte er in einem viel beachteten Interview mit dem Kicker gesagt: „Wir waren leider noch nie da, wenn die Lücke aufging.“ Er will um die Meisterschaft spielen. Aktuell trennen RB und Bayern 23 Punkte.
Mintzlaff ist der nimmermüde Antreiber im Klub. Er hat eine gewisse Zufriedenheit im RB-Fußball-Kosmos gespürt, wollte deshalb wachrütteln. So wurde „Kloppo“ dazugeholt. In den bisherigen acht Bundesliga-Saisons erreichte RB sechs Mal zwischen 65 und 67 Punkte. Das reicht für die Königsklasse, aber nicht für die Meisterschaft. Die beiden Pokalsiege 2022 und 2023 kaschierten lange eine Stagnation auf höchstem Niveau. In dieser Saison gab es einen klaren Rückschritt.
Bemüht, aber oft planlos
Das liegt auch an Rose. Nach einem starken Saisonstart konnte die Mannschaft zu selten ihr Potenzial abrufen. Die Spieler wirkten bemüht, aber oft auch planlos. In den letzten fünf Auswärtsspielen gelang kein Tor. Sieben Saisonspiele verlor RB trotz einer Führung. In der Königsklasse wurden sieben von acht Spielen verloren. Horrorzahlen für die Ambitionen des Klubs.
Was allerdings auch stimmt: Der kleine Kader war in dieser Saison von Verletzungen gebeutelt. Vor allem der Ausfall von Xaver Schlager wiegt schwer. Der Österreicher ist Taktgeber auf der Sechs und Führungsspieler. Von denen gibt es im Team zu wenig, die Gruppe schien auseinander zu fallen.
Talente anlocken und weiterverkaufen
Das hat auch mit dem Geschäftsmodell von RB zu tun: Die größten Talente anlocken, entwickeln und dann an die Allergrößten weiterverkaufen. Der nächste, der diesen Weg geht, dürfte Benjamin Sesko sein. „FC Barcelona oder Manchester United?“, scheint bei ihm die einzige Frage zu sein. So wirkt es manchmal, als wären die Spieler mit einem Bein in Leipzig und mit einem schon wieder weg. Aufgefangen werden sollte das von einer erfahrenen Achse.
Mit dem 22-fachen Nationalspieler Lukas Klostermann (seit 2014 im Klub), Yussuf Poulsen (2013), Willi Orban (2015), Peter Gulacsi (2015) und Kevin Kampl (2017) stehen fünf der sechs Rekordspieler des Vereins noch im Kader. Bis auf Gulacsi und mit Abstrichen Orban verkörpern sie aber nicht mehr allerhöchstes Bundesliganiveau. Wie geht es mit dieser identitätsstiftenden Gruppe im Somme? Ein großer Umbruch scheint unausweichlich.
Ende der Wohlfühlgeschichte
Lange wurde in Leipzig gerne die Wohlfühlgeschichte erzählt, dass dieser Kern gemeinsam von der 2. Liga bis ins Pokalfinale gestürmt ist. Dann kam noch der Leipziger Rose hinzu, der zweite Pokaltitel wurde geholt. Doch diese Geschichte scheint jetzt zum Ende zu kommen. Mit Zsolt Löw übernimmt der „Head of Soccer Development“ bis zum Saisonende. Er war zuletzt die rechte Hand von Klopp. Löws Aufgabe: Gegen den VfB Stuttgart am Mittwoch ins Pokalfinale einziehen und irgendwie die Top 4 in der Liga erreichen. Andernfalls wird es sehr kühl in Leipzig.
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