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Krise bei Batteriekonzern NorthvoltEnde Juni gehen die Lichter aus

Der europäische Batteriehersteller Northvolt verliert in Schweden seinen letzten Kunden. Der einstige Pionier wird die Produktion einstellen.

Northvolt in Schweden: Seit März insolvent, nun geht auch der letzte große Kunde Scania Foto: dpa

Härnosand taz | Die Fabrik so lange wie möglich am Laufen zu halten, war das erklärte Ziel des Konkursverwalters Mikael Kubu, seit der Batteriehersteller Northvolt Mitte März in die Insolvenz gegangen war. Nun ist klar: Nachdem der einzige verbliebene Kunde, Lkw-Hersteller Scania, seine Batterien künftig doch wieder in China kaufen will, ist es vorbei. Ende Juni wird die Produktion im nordschwedischen Skellefteå eingestellt.

Der VW-Tochter wird in Schweden kein Vorwurf gemacht – im Gegenteil, seit der Insolvenz und dem Absprung anderer Kunden soll er sogar höhere Preise von Northvolt in Kauf genommen haben. Selbst der Konkursverwalter hebt Scanias Treue positiv hervor. Nun aber will das Unternehmen nach Informationen des schwedischen Fernsehens SVT zum chinesischen Konkurrenten CATL wechseln.

Gerade die Abhängigkeit vom chinesischen E-Auto-Batteriemarkt sollte mit Northvolt als europäischem Vorzeigeprojekt überwunden werden. Mit diesem Versprechen überzeugte Gründer Peter Carlsson seit 2016 Investoren wie Volkswagen und BMW sowie die öffentliche Hand.

Das galt auch für Deutschland – wo das geplante Werk in Schleswig-Holstein mit 600 Millionen Euro von der staatlichen Förderbank KfW gefördert wurde, mit Bund und Land als Bürgen. Bislang ist die deutsche Tochter offiziell von der Insolvenz nicht betroffen, vorerst wird dort trotz ungewisser Zukunft weiter gebaut.

4.600 Menschen nach Skellefteå gezogen

Vor einem Monat erst hatte Insolvenzverwalter Kubu gegenüber SVT von zwei bis drei Kaufinteressenten für die Riesenfabrik in Nordschweden gesprochen. „Northvolt Ett“, also „Eins“ wurde sie genannt. Sie sollte nur die erste sein – und einer ganzen Region eine Zukunftsperspektive geben. 4.600 Menschen sind laut offiziellen Statistiken allein im vergangenen Jahr nach Skellefteå gezogen, wie die Zeitung Dagens Nyheter berichtet.

Mehr als ein Drittel von ihnen seien aus dem Ausland gekommen, viele direkt oder indirekt wegen Northvolt. Das machte die Pleite für sie zu einem Visa-Problem. „Es geht nicht nur um eine Fabrik“, betont der Bürgermeister von Skellefteå in seiner Reaktion auf die Hiobsbotschaft am Donnerstag. „Es geht um die Zukunft von Tausenden Menschen, um die Glaubwürdigkeit von Schwedens grüner Industrie und um die Fähigkeit der EU, auf der neuen geopolitischen Energiekarte auf eigenen Beinen zu sehen“, schreibt Lorents Burman auf der Homepage der Stadt.

Nicht nur der Bürgermeister betont die Bedeutung öffentlicher Subventionen für eine mögliche Zukunft der europäischen Batterieproduktion. Wie er erwähnt auch Insolvenzverwalter Kubu das für den Herbst geplante „Battery Booster“-Programm der EU mit Investitions- und Produktionsunterstützung als entscheidend für das Interesse eines möglichen Käufers.

Denn er scheint die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben zu haben. Die Interessenten stünden nicht gerade Schlange, aber ein internationales Unternehmen sehe sich die Fabrik derzeit genauer an. Damit dessen Rechnung aufgehen könne, bräuchte es aber Unterstützung wie die der EU, sagte Kubu laut dem Wirtschaftsmagazin Affärsvärlden.

Als Ursache für den Niedergang – es ist eine der größten Firmenpleiten in der Geschichte Schwedens – gilt unter anderem eine unrealistische Zielsetzung. Die Produktion konnte nicht so schnell hochgefahren werden wie versprochen. Auch war die bereits etablierte chinesische Konkurrenz offenbar zu stark – und der Elektroauto-Markt in Europa entwickelte sich nicht im erhofften Tempo.

900 Menschen sind derzeit noch in der Fabrik in Skellefteå tätig. Die meisten dürften nun ihren Job verlieren. Wie viele von ihnen für welche Aufgaben noch bleiben, ist bislang unklar. Von den insgesamt 5.000 Northvolt-Mitarbeitenden an allen Standorten blieben nach der Insolvenz 1.700, um möglichst viel Betrieb am Laufen zu halten. Einzelne Bereiche des Konzerns sind inzwischen verkauft. Zuletzt gab sich der Konkursverwalter am Donnerstag zuversichtlich, den Verkauf von Northvolt Labs im schwedischen Västerås noch im Juni abschließen zu können.

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3 Kommentare

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  • Naja , wenn man einmal bei einer Technologie hinterherhinkt, ist es halt unfassbar schwer (teuer) das wieder aufzuholen. In vielen Branchen ist nun mal jetzt China Weltmarktführer. So what? Maul abwischen und daraus lernen. Bei Batterien, E-Autos, Solar und wahrscheinlich auch bei KI sind die meisten Züge wohl schon abgefahren. Vielleicht sollten wir Deutsche/Europäer halt auf die nächsten großen Dinger die danach kommen werden, setzen, (wie beispielsweise Quantencomputer).

    • @QuantumRider:

      Europa ist bei der Akkuforschung ganz vorne mit dabei. Da gibt's keinen Rückstand.



      Wie im Artikel steht gibt es schlicht zu wenig Nachfrage aus der Autoindustrie. Da es hierzulande nur windelweiche Vorgaben zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors gibt, wird sich das auch nicht ändern. Innovation findet dort statt, wo sie verlangt wird.

  • Die deutsche Tochter von Northvolt hat noch keine Insolvenz angemeldet und baut also in Schleswig-Holstein weiter. Dafür dürfte dann weiter der 600-Millionen-Kredit der KfW dienen. Für die KfW ohne Risiko, es bürgen ja Land und Bund und damit wir als Steuerzahler. Wem gehört jetzt eigentlich die deutsche Tochter Northvolt Germany? Hat da der schwedische Insolvenzverwalter die Hand drauf, ist sichergestellt, dass der KfW-Kredit wirklich nur zum Bau der Fabrik in Heide verwendet wird und nicht in der schwedischen Insolvenzmasse verschwindet? Und wenn man unverdrossen in Heide weiter baut, mit welcher Technik wollen die produzieren? Die Batterietechnik entwickelt sich schnell weiter, aber der vorgesehene Techniklieferant Northvolt Labs wird dem Artikel nach gerade verkauft.