Berlintaz | Wenige Tage vor dem Abbruch der diplomatischen Beziehung zwischen Katar und vier arabischen Staaten telefoniert der Emir von Katar, Scheich Tamim bin al-Thani, mit dem gerade wiedergewählten iranischen Präsidenten Hassan Rohani. „Unsere Beziehung mit der Islamischen Republik basiert auf einer langen Tradition, sie ist stabil, und wir wünschen, dass sie mehr als je zuvor gestärkt und ausgebaut wird“, so Katars Staatsoberhaupt. Dafür gebe es keinerlei Hindernisse.
Richtig ist: Katars Beziehungen zum Iran sind nicht konfliktfrei – aber weit besser, stabiler und freundlicher als die anderer arabischer Staaten zu Teheran. Iran und Katar gehören zu den weltweit größten Gasproduzenten, beide Länder besitzen gemeinsame Gasfelder und konkurrieren folglich auf dem Weltmarkt. Trotzdem unterstützt Katar den Vorschlag Irans, analog zur Opec eine Organisation der gasproduzierenden Länder zu gründen.
Als Saudi-Arabien und andere Mitglieder des Golfkooperationsrats während der Präsidentschaft Mahmud Ahmadinedschads Pläne Israels und der USA zu einem Militärschlag gegen iranische Atomanlagen unterstützten, unterzeichnete Katar ein Kooperations- und Sicherheitsabkommen mit Teheran.
Auch im Rahmen des Golfkooperationsrats hat Katar bezüglich Irans immer eine Sonderstellung eingenommen. So unterstützte das Emirat zwar die Resolutionen des Rats über territoriale Ansprüche der Vereinigten Arabischen Emirate auf drei Golfinseln – aber auch nicht mehr. Und während Saudi-Arabien und andere arabische Staaten nach einem Sturm von Demonstranten auf die saudische Botschaft in Teheran die diplomatischen Beziehungen zum Iran abbrachen, zog Katar zwar kurz seinen Botschafter ab – setzte seine Beziehungen aber fort und bot sogar an, zwischen Riad und Teheran zu vermitteln.
Katar in der Isolation
Alles klar im Staate Katar? Die nicht ganz so ausgelassene Kinderschar vor der Ramadan-Kanone in der Hauptstadt Doha lässt vermuten, dass da doch was nicht stimmt.
Foto:
reuters
Stimmt: Der autokratische Herrscher des Kleinstaates, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, muss sich Sorgen machen. Seit Mittwoch ist sein Land auf der arabischen Halbinsel politisch isoliert.
Foto:
imago/PanoramIC
Die unmittelbaren Nachbarn haben die diplomatischen Beziehungen zu Katar abgebrochen. Saudi-Arabiens König Salman sowie der Kronprinz des Emirats Abu Dhabi, Scheich Muhammad bin Zayid Al Nahyan, gerieren sich plötzlich als Gegenspieler. Ausgerechnet sie werfen der katarischen Führung die Unterstützung islamistischer Terrorgruppen vor. Und ein zu inniges Verhältnis zum saudischen Erzrivalen Iran.
Foto:
ap
Für ihren Schritt haben sich die Saudis und Emiratis den Support von US-Präsident Trump geholt. Der brüstete sich auch gleich auf Twitter damit, dass er so einen richtig schönen Keil in die arabische Staatengemeinschaft getrieben hat. Dabei waren doch alle Herren der Halbinsel noch auf dem Gemeinschaftsfoto mit dem POTUS während seines Besuchs in Riad. Aber schon da stand der Katars Herrscher mit gezwungenen Lächeln etwas im Abseits (1. v. l.).
Dafür, dass Katar nur rund 2,2 Millionen Einwohner hat, ist sein Einfluss im Nahen Osten immens. Nicht zuletzt sorgt dafür der dort ansässige TV-Sender Al Jazeera, die größte Fernsehstation im arabischsprachigen Raum. Nicht immer sind die von ihr ausgestrahlten Inhalte im Sinne der regionalen Despoten.
Foto:
reuters
Doha wächst wie alle Metropolen am Golf immer weiter in die Höhe. Das Luftbild zeigt das Diplomatenviertel der Hauptstadt, dort, wo nun Krisenstimmung herrscht. Wurde das Bild aus dem Fenster einer Maschine von Katar Airways aufgenommen? Die ist eine der wichtigsten Fluglinien in der Region, ...
Foto:
reuters
... aber nicht nur die diplomatischen Beziehungen wurden durch die Nachbarn abgebrochen, auch die Verkehrsverbindungen wurden gekappt. Das hatte Auswirkungen auf den Luftverkehr, viele Qatar-Airways-Flüge mussten gecancelt werden. Der Flughafen von Doha wurde zum Nachtlager für Reisende.
Foto:
ap
Unterdessen kam es in den Supermärkten zu Hamsterkäufen. Die Bewohner Katars fürchten aufgrund der Unterbrechung der Verkehrswege Engpässe bei der Lebensmittelversorgung.
Foto:
dpa
Und was wird jetzt aus dem Kickerparadies Katar? Dort soll 2022 die Männerfußballweltmeisterschaft stattfinden. Ein Wicht, wer denkt, dass die Auswahl des Landes als Gastgeber nicht ganz mit rechten Dingen zuging. Derzeit stampfen Brigaden schlecht bezahlter Arbeiter mehrere Stadien aus dem Boden, die wohl nur ein- oder zweimal in ihrer Existenz ausverkauft sein werden.
Foto:
reuters
Saudi-Arabien und Abu Dhabi sind im übrigen nicht alleine mit ihrer neuen Feindschaft zu Katar. Mit von der Partie ist auch der von ihnen finanziell abhängige ägyptische Diktator Abd al-Fattah Said Husain Chalil as-Sisi – hier umgeben von Angehörigen seiner Armee.
Foto:
reuters
Al-Sisi stört massiv, dass Katar in seinem Land seit langem die verbotene Muslimbrüderschaft sponsert.
Foto:
reuters
Der wichtigere Opponent des neu geschmiedeten Bündnisses ist aber natürlich der Iran (im Bild Irans Präsident Hassan Rohani). Insbesondere Saudi-Arabien fühlt sich durch die Außenpolitik des persischen Staates herausgefordert. Teheran unterstützt das Assad-Regime in Syrien, schiitische Milizen im Irak, die Hisbollah im Libanon und vor allem die Huthi-Rebellen im Jemen an der Südspitze der arabischen Halbinsel.
Foto:
reuters
Auch in Jemen fand der arabische Frühling statt, aber er mündete in einen Krieg der Stellvertreter Saudi-Arabiens und des Iran. Der jemenitische Staat existiert faktisch nicht mehr, wie Syrien ist das Land in verschiedene Interessensphären gespalten. Und jüngst ist es zum Ausbruch einer Cholera-Epidemie gekommen. Eine humanitäre Katastrophe abseits der medialen Aufmerksamkeit des Westens.
Foto:
reuters
Dass das Bündnis sich so gegen Katar engagiert, ruft noch weitere Mächte auf den Plan, allen voran die Türkei. Der Autokrat vom Bosporus, Recep Tayyip Erdogan, pflegt nämlich gute Beziehungen zu Katar und hat schon mittgeteilt, dass er von der politischen Isolation des Emirats so garnichts hält. Er könnte jetzt zusammen mit Katar näher an den Iran heranrücken.
Foto:
reuters
Und am Ende taucht auch er wieder auf der Bühne auf: Russlands Präsident Wladimir Putin - hier sowieso schon im Gespräch mit dem katarischen Herrscher Sheikh Tamim. Knapp gesagt: In diesem Fall befindet er sich über Kreuz mit Trump. Die Populisten und Autokraten dieser Welt spielen also mal wieder Bäumchen wechsel dich.
Foto:
reuters
Auch innerhalb der Opec unterstützte Katar immer wieder die Position der Islamischen Republik. Während Saudi-Arabien nach der Aufhebung des Ölembargos gegen Iran zu verhindern versuchte, dass das Land wieder die gleiche Ölmenge exportiert wie in der Zeit vor den Sanktionen, sorgte Katar mit dafür, dass die Forderung Teherans akzeptiert wurde.
Katars gute Beziehungen zur Islamischen Republik sind der eigentliche Grund für den aktuellen Konflikt mit den arabischen Staaten. Teheran hat, vermutlich nicht ohne Schadenfreude über die Spaltung der Araber, sein Bedauern über den Streit geäußert – und empfohlen, den Konflikt auf diplomatischem Weg beizulegen. Zugleich hat Iran Katar eine rasche Lieferung von Lebensmitteln angeboten. Diese könnten das Emirat binnen zwölf Stunden erreichen, so Resa Nurani, Vorsitzender der iranischen Exporteure von Landwirtschaftsprodukten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei!
Jetzt unterstützen
Das von seinen Nachbarländern mit einem Embargo belegte Katar bekommt militärische Unterstützung aus den USA – inklusive milliardenschwerem Flugzeug-Deal.
meistkommentiert
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!