Kriminalität in der Ukraine: Spur führt nach rechts
Im Fall des 2016 ermordeten Journalisten Pawel Scheremet wurden fünf Verdächtige festgenommen. Sie sollen aus dem rechtsradikalen Milieu stammen.
Immer wieder waren die Mörder Scheremets im Umfeld russischer oder weißrussischer Dienste vermutet worden. Der aus Weißrussland stammende Scheremet war Kritiker von Präsident Alexander Lukaschenko. Während seiner Zeit in Russland von 1998 bis 2014 hatte sich Scheremet mit seiner Kritik an der Regierung und seiner Nähe zu dem Oppositionspolitiker Boris Nemzow unbeliebt gemacht. 2013 zog er in die Ukraine.
Doch die mutmaßlichen Mörder sollen aus dem rechtsradikalen Milieu der ukrainischen Freiwilligenverbände kommen. Es seien, so Ewgenij Kowal, die Krankenschwester einer Fallschirmjäger-Einheit, Jana Dugar, die an der Kiewer Kinderklinik Ochmatdet tätige Kinderchirurgin und Kämpferin Julia Kusmenko, der Musiker und Freiwilligenkämpfer Andrej Antonenko und das Ehepaar Wladislaw und Inna Grischtschenko, ebenfalls Angehörige eines in der Ostukraine kämpfenden Freiwilligenverbandes.
Nach Auffassung der Ermittler soll Kusmenko die tödliche Bombe in der Nacht vor der Explosion am Wagen von Scheremet angebracht haben. Musiker Antonenko wiederum, der an dem Tatort lange Jahre gelebt hatte, habe Kusmenko dabei unterstützt. Beide seien von Überwachungskameras gefilmt worden.
Ausspähung der Örtlichkeiten
Ein britischer Experte, so die ukrainische Polizei, Avon Birch, habe Antonenko aufgrund seines Ganges identifiziert. Dieser hinkte etwas zum Zeitpunkt der Tat. Zeitsoldatin Jana Dugar war für die Ausspähung der Örtlichkeiten verantwortlich. So haben Überwachungskameras festgehalten, wie sie ihrerseits die Überwachungskameras am zukünftigen Tatort fotografiert hatte.
Auffallend an Inna Grischtschenko sei, so die ukrainische Polizei, dass die Aktivistin, die kämpfende Freiwilligenverbände in der Ostukraine logistisch unterstützt hatte, in nur wenigen Jahren während des Krieges zwei Wohnungen und ein Auto kaufen konnte. Ihr vorbestrafter Mann Wladiwlas soll in der Haft gegenüber einem Zellennachbarn geprahlt haben, er brauche zum Bombenbasteln 15 Minuten.
Auch Kinderärztin Kusmenko hatte während des Krieges Häuser und mehrere Autos erworben, so die Polizei auf der Pressekonferenz. Leider, so Generalstaatsanwalt Ruslan Rjaboschapka, kenne man den Auftraggeber des Mordes nicht. Die Polizei geht davon aus, dass das Motiv der Tat gewesen sei, die ukrainische Gesellschaft zu destabilisieren.
Sergiy Tomilenko, Chef der ukrainischen Journalistengewerkschaft, zeigt sich erfreut über die Ergebnisse der Polizeiarbeit. „Die Aufdeckung des Mordes an einem Journalisten, die Bestrafung von Mördern, das ist ein Signal“ schreibt er auf seiner Facebook-Seite. „Keine Ruhe für die Angreifer“, resümmiert er. „Wir hoffen nun auf einen gerechten Schutz ukrainischer Journalisten.“
Die Journalistin Nina Sokolova fürchtet indes, dass der auf der Pressekonferenz vorgetragene Ermittlungsstand Russland in die Hände spiele. „Es besteht der Eindruck einer absichtlichen Diskreditierung von Patrioten, Freiwilligen und Nationalisten. Warum? Weil sie zurzeit die einzige mächtige Kraft gegen alle prorussischen Dämonen sind, die sich in meinem Land breitmachen“, so Sokolova im Internetportal Obozrevatel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen