Kriminalität in Mexiko: Bandenkrieg hinter Gittern
44 Menschen sterben bei Auseinandersetzungen in einem mexikanischen Gefängnis. Nicht zum ersten Mal setzt sich der Krieg rivalisierender Kartelle im Knast fort.
BERLIN taz | Bei Auseinandersetzungen in einem Gefängnis nahe der nordmexikanischen Metropole Monterrey sind am frühen Sonntagmorgen 44 Menschen gestorben. Eine Gruppe von Inhaftierten habe andere Insassen angegriffen, erklärte der Sprecher für öffentliche Sicherheit des Bundesstaates Nuevo León, Jorge Domene.
Die Gefangenen seien mit Stichwaffen, Stangen und Steinen aufeinander losgegangen, Schusswaffen seien nicht im Einsatz gewesen. Nach zwei Stunden hatten Polizisten die Lage in der Haftanstalt der Stadt Apodaca wieder im Griff.
Domene räumte ein, dass ein Machtkampf rivalisierender krimineller Organisationen für die Kämpfe verantwortlich sein könnte. "Wir wissen, dass hier die Zetas und das Golfkartell vertreten sind", sagte der Sicherheitspolitiker. Die beiden Kartelle kämpfen in Nuevo León um die Vorherrschaft, zahlreiche der Inhaftierten gehören den Organisationen an.
Im Gefängnis von Apodaca dominieren nach Insidereinschätzungen die Zetas, die sich in den 90er Jahren aus einer Eliteeinheit des Militärs entwickelt haben. Es sei auch möglich, dass Inhaftierte versucht hatten, auszubrechen und es deshalb zu den Ausschreitungen gekommen sei, ergänzte Domene. Er schloss nicht aus, dass Schließer beteiligt gewesen sein könnten. Die Staatsanwaltschaft ermittelte zunächst gegen alle Angestellten, die zum Zeitpunkt der Auseinandersetzungen Dienst hatten.
Zuerst hatten Angehörige von Gefangenen, die die Nacht vor der Strafanstalt verbracht hatten, mehrere kleine Explosionen gehört und Rauchschwaden gesehen. Einige Familien hielten sich vor der Strafanstalt auf, um ihre Väter, Brüder oder Söhne zu verpflegen - denn wer in mexikanischen Knästen nicht über entsprechende Kontakte oder finanzielle Mittel verfügt, ist auf ständige Hilfe von außen angewiesen.
Eine Frau, die mit ihrem einsitzenden Ehemann telefonieren konnte, berichtete davon, dass Matratzen und anderes angezündet worden sei. Während und nach dem Aufstand kamen Angehörige hinzu und forderten Informationen. Vor dem Gefängnis lieferten sie sich kleinere Rangeleien mit der Polizei.
Wie viele Haftanstalten Mexikos ist auch das Gefängnis von Apodaca extrem überbelegt. Rund 3.000 Menschen sind dort inhaftiert, doppelt so viele wie vorgesehen. Insgesamt sind die Knäste von Nuevo León im Durchschnitt um ein Drittel überbelegt. Allein 2011 starben in den drei größten Haftanstalten rund um Monterrey 50 Menschen durch Hinrichtungen, Streitigkeiten oder Selbstmord. Insgesamt ließen bei Auseinandersetzungen in den Gefängnissen Mexikos letztes Jahr mindestens 124 Häftlinge ihr Leben. Im Januar wurden bei Kämpfen in einer Haftanstalt im Nachbarstaat Tamaulipas 31 Menschen getötet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid