Kriegsverbrechen in Syrien: Grauen in Aleppo
Brandbomben, Fassbomben, bunkerbrechende Bomben: Helfer im Osten Aleppos berichten von mörderischen syrischen und russischen Luftangriffen.
„Überall liegen Verletzte. Häuser brennen. Wir wissen nicht, welches Haus als nächstes bombardiert wird.“ So beschreiben Einwohner des Ostteils von Aleppo das Grauen, das sie in diesen Tagen erleben. Die Luftangriffe hielten auch am Montag unvermindert an. Ab dem Morgengrauen seien vor allem zwei Quartiere bombardiert worden, berichteten Einwohner und ein syrischer Mitarbeiter der Nachrichtenagentur AFP.
Dadurch seien große Brände ausgelöst worden. Besonders heftig sind die Angriffe aber nachts. In der Nacht von Sonntag auf Montag zählten Helfer Dutzende von Bombenangriffen.
Am vergangenen Montag kündigte das syrische Regime den zwischen Amerika und Russland ausgehandelten Waffenstillstand auf. Seitdem fliegen die syrische und russische Luftwaffe Ost-Aleppo die schwersten Luftangriffe, die die Rebellenhochburg seit Kriegsbeginn gesehen hat.
Außer den Fassbomben, für die das Regime berüchtigt ist, setzen die Russen nach Angaben von Helfern eine noch tödlichere Waffe ein: bunkerbrechende Bomben. Aber auch die international geächteten Brandbomben sollen in bisher nie dagewesenem Maß zum Einsatz kommen.
Ein Rufer in der Wüste
Bilder, die Aktivisten auf sozialen Medien verbreitet haben, zeigen ganze Straßenzüge, die in Trümmern liegen, Häuser, von denen nur noch ein tiefer Krater übrig ist, und lichterloh brennende Gebäude. Berichte legten nahe, dass Russland Brandbomben einsetzt, die „so gewaltige Feuerbälle erzeugen, dass sie das stockdunkle Ost-Aleppo erleuchten, als wäre es Tag“, sagte Staffan de Mistura, der UN-Sondergesandte für Syrien. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nannte den Einsatz von Brand- und bunkerbrechenden Bomben barbarisch sowie ein mögliches Kriegsverbrechen.
Nach Angaben von de Mistura hat die Offensive mindestens 213 Tote unter der Zivilbevölkerung gefordert. Helfer vor Ort sprechen von mehr als 300 Toten. De Mistura forderte eine wöchentliche Feuerpause von 48 Stunden, um die seit Anfang September komplett Eingekesselten mit Hilfsgütern zu versorgen.
SMS-Nachricht des Regimes
Er ist ein Rufer in der Wüste. Denn der syrische Machthaber Baschar al-Assad und seine Verbündeten setzten ganz offensichtlich darauf, die Aufständischen in Ost-Aleppo militärisch in die Knie zu zwingen.
SMS vom Regime
Am vergangenen Donnerstag starteten syrische Soldaten, unterstützt von Milizionären aus dem In- und Ausland, im Norden und Südwesten der Stadt eine Bodenoffensive. Dabei gelang es ihnen, das ehemalige palästinensische Flüchtlingslager Handarat im Norden Aleppos teilweise einzunehmen. Doch die Kämpfe halten hier wie auch im Südwesten an. Damaskus kündigte jedoch weitere Truppenverstärkungen an.
Dazu verschickt das Regime regelmäßig SMS-Nachrichten, in denen die Bewohner von Ost-Aleppo auffordert werden, sich zu ergeben. In anderen bietet es vermeintliche Hilfe an, während das Staatsfernsehen Bilder vom angeblich blühenden Leben in den vom Regime kontrollierten Leben im Westteil von Aleppo zeigt. Dort leben die Menschen freilich ebenfalls in Angst. Regelmäßig beschießen Aufständische die westlichen Viertel und töten dabei auch Zivilisten.
Zwar rechnet auch Assad nicht mit einem schnellen Sieg, wie er kürzlich in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP einräumte. Er machte aber auch deutlich, dass er keinen Millimeter von seinem Kurs abrücken will.
„Hisst die Fahne der Arabischen Republik Syrien, wenn ihr Frieden wollt“, heißt es in einer der Textnachrichten. „Früher stellte uns das Regime vor die Alternative: ergeben oder hungern“, sagen Aktivisten. „Heute ist es: ergeben oder sterben.“
Retter werden gezielt bombardiert
Gezielt werden Helfer bombardiert, die versuchen, Leben zu retten. Mindestens drei Einsatzzentralen der vor einer Woche mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichneten Weißhelme, dem Zivilschutz in den Rebellengebieten, sind getroffen worden, aber auch eine Feuerwehrwache und Ambulanzen.
Die wenigen Ärzte für die rund eine Viertelmillion Einwohner sind völlig überfordert. „Es gibt so viele Verletzte, dass wir sie im Flur oder auf dem Boden behandeln müssen. Unser Vorräte gehen schnell zur Neige“, sagte ein Arzt. „Viele sterben, weil wir nicht nachkommen.“
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