Krieg in der Ukraine: „Wir helfen dem Staat, nicht er uns“
Tausende Menschen in der südukrainischen Stadt Saporischja sind auf das Rote Kreuz angewiesen. Denn dessen Mitarbeiter reparieren selbst Wasserleitungen.
Dann sagt er leise und kaum hörbar, während er auf seinen Espresso schaut: „Wir haben 700 Betten in unserem Krankenhaus. 500 davon gehören verletzten Soldaten. Jeden Tag werden weitere 100 verletzte Soldaten in unsere Notaufnahme gebracht.“
In anderen Krankenhäusern der Stadt dürfte es anders aussehen. „Wir haben uns auf Chirurgie spezialisiert. Deswegen kommen die meisten Verletzten zu uns.“ Die Mehrheit der Verletzungen stamme vom feindlichen Artilleriebeschuss. „Auch Phosphor setzen die Russen ein“, berichtet Chodakowski. „Das sehen wir an den Wunden.“ Die Artillerie trifft nicht nur Soldaten. Laut der Nachrichtenagentur AP wurden am Wochenende durch russischen Beschuss in den Regionen Saporischschja und Cherson mindestens zwei Zivilisten getötet und acht weitere verletzt.
Chodakowski könnte ausreisen, den Krieg hinter sich lassen. Aber er denkt nicht daran. „Ich habe da meine Mission“, sagt der geübte Organisator, „meine Verantwortung, meine Geschäftspartner bei der Arbeit. Ich kann doch nicht einfach abhauen.“
Nicht genügend Psychologen
Durch Saporischschja verläuft der Sobornyj-Prospekt, mit 10,8 Kilometern eine der längsten innerstädtischen Straßen Europas. In einer seiner Seitenstraßen liegt das Büro des Roten Kreuzes. Es kümmert sich um alle, die unter dem Krieg leiden, aber in keiner Klinik oder Reha-Maßnahme sind.
Oxana Beketowa, die örtliche Direktorin, berichtet: „So viele Menschen leiden in unserer Stadt an einer Posttraumatischen Belastungsstörung.“ Sie alle bräuchten dringend psychologische Betreuung. Doch man habe nicht annähernd genug Psychologen.
Das Rote Kreuz betreut zudem 300 Alleinstehende, teilweise Bürger mit Behinderung in deren Zuhause. Angesichts der schieren Menge hilfsbedürftiger Menschen in Saporischschja und Umgebung fühle man sich überfordert.
„Ungefähr 6.000 Menschen sind zu hundert Prozent von unseren Hilfstransporten abhängig“, erklärt Beketowa. Sie meint die Bewohner der zwei Autostunden von Saporischschja entfernten Orte Orichiw und Gulajpole, die noch dort geblieben sind. 30.000 Menschen lebten dort vor dem Krieg.
Zu wenig zum Leben
Heute gibt es in diesen Orten keine Geschäfte, keinen Strom und keine Heizung. Warum die Menschen dort bleiben? „Wer dort lebt“, erklärt Beketowa, „hat meistens ohne Vertrag gearbeitet, bekommt also eine sehr niedrige Rente. Und die liegt bei umgerechnet 70 Euro. Hinzu kommen noch einmal 70 Euro staatliche Unterstützung für die Bewohner dieser Städte. Doch bei den derzeitigen Preisen reicht das nicht zum Leben“, meint Beketowa. „Und schon gar nicht für einen Umzug in eine andere Stadt, wo die Wohnungspreise 120 Euro und mehr betragen.“
Bei der Frage, wie der Staat das Rote Kreuz unterstütze, lacht Beketowa kurz auf. „Wir unterstützen den Staat, nicht umgekehrt“, antwortet sie. Das Rote Kreuz repariere auch Luftschutzräume oder kaputte Wasserleitungen und suche Vermisste.
Eines haben Chodakowski und Beketowa gemeinsam: Sie sind Deutschland sehr dankbar für die Unterstützung. 80 Prozent der materiellen Mittel, so Beketowa, erhielte man vom Deutschen Roten Kreuz.
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