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Krieg in der UkraineZwei Tage anstehen für eine Suppe

Die ukrainische Stadt Charkiw und ihre Umgebung sind unter russischem Dauerbeschuss. Die Angst der Menschen ist mittlerweile Abgestumpftheit gewichen.

Brutaler Alltag: Eine Wohnsiedlung in Charkiw nach einem Bombenangriff am 8. März 2022 Foto: Nikita Zhadan

Charkiw taz | Wie viel Zeit benötigen Sie, um eine Suppe zu kochen? Eine halbe Stunde brauchen Sie zum Supermarkt und eine Stunde später stehen Sie schon wieder in der Küche am Herd. So war es bis zum Ausbruch des Kriegs auch in der Ukraine. Seit dem 24. Februar zieht sich diese Prozedur in einigen Städten des Charkiwer Gebiets über mehrere Tage hin. Aber sie ist nicht immer erfolgreich, und nicht alle überleben sie.

Die meisten Geschäfte sind leer. Es gibt nichts, außer ein paar Waren aus der Region. Die meiste Zeit des Tages bis zum Beginn der Sperrstunde geht für die Nahrungssuche drauf. Hin und wieder bringen Männer mit Kleinbussen und auf Schleichwegen Produkte in belagerte Dörfer, die die Menschen für eine Kohlsuppe brauchen – Sauerkraut, Kartoffeln, rote Beete, Karotten. Das Gerücht, es gebe etwas zu „essen“, verbreitet sich in wenigen Minuten durch Mundpropaganda. Kaum, dass die Kleinbusse da sind, bilden sich lange Schlangen. Und das trotz Eiseskälte und überhöhter Preise.

Das stundenlange Schlange stehen wird von Geschützfeuer begleitet – nur wenige Kilometer von dem improvisierten Markt entfernt tobt ein Kampf. Das macht Angst, doch diese legt sich langsam. Alle haben längst verstanden, dass die russischen Flugzeuge am zerstörerischsten sind. Sie bombardieren nach Prinzipien, die sich jeder Logik entziehen. Oft sind Wohnviertel das Ziel, in deren Umgebung es kilometerweit kein einziges militärisches Objekt gibt.

Während du in der Schlange stehst, suchen deine Augen schon einen nahe gelegenen Keller, einen Hauseingang, ein Geschäft, wo du dich im Falle eines Beschusses verstecken könntest. Dass vor russischen Luftangriffen zu tun, hat keinen Sinn. Die Russen werfen Bomben ab, die in der Lage sind, ein fünfstöckiges Gebäude bis auf die Grundmauern zu zertrümmern.

Jetzt oder 24 Stunden später?

Nach zwei Wochen fortwährenden Beschusses sind Angstgefühle einer Abgestumpftheit gewichen. Fast niemand in der Schlange macht Anstalten, in Deckung zu gehen. Man kann seinen Platz verlieren und dann verzögert sich die Zubereitung der Suppe um einen ganzen Tag. Würden Sie nicht auch jetzt gern eine Suppe essen und nicht erst 24 Stunden später?

Alle hören dem Klingen der Drähte an den Lichtmasten zu, die von Explosionen zermalmt werden. Ein Einkauf gilt als erfolgreich, wenn er überhaupt stattgefunden hat. Auch wenn es ein Produkt ist, dem man zu Friedenszeiten keine Beachtung geschenkt hätte. Der Krieg hat die Ukrainer erniedrigt, und wir müssen wieder ganz von vorn anfangen.

Der Einkauf von Lebensmitteln, um eine Suppe zu kochen, dauert im besten Fall zwei Tage. Dann stehen die Menschen, so wie alle Deutschen, noch eine Stunde am Herd. Wenn sie zurückkommen …

Juri Larin war Teilnehmer eines Osteuropa-Workshops der taz Panter Stiftung.

Aus dem Russischen Barbara Oertel

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