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Krieg in SyrienArmee ruft zur Flucht aus Aleppo auf

Das Assad-Regime will die Kontrolle über die ehemalige Wirtschaftsmetropole gewinnen. Mit Russland werden „humanitäre Korridore“ eingerichtet.

Bilder der Zerstörung im Ort Atareb, westlich von Aleppo Foto: reuters

GENF taz | Die syrische Regierung will die strategisch wichtige Stadt Aleppo nach wochenlangem schweren Beschuss und der erfolgreichen Einschnürung von Rebellenmilizen wieder vollständig unter ihre Kontrolle bekommen. Dies soll mit einer als „humanitäre Operation“ bezeichneten Evakuierung der bis zu 300.000 Zivilisten aus den derzeit noch von Rebellen kontrollierten Stadtteilen geschehen.

Am Donnerstag verkünde­te Präsident Baschar al-Assad in einem Dekret zeitgleich mit dem russischen Verteidigungsminister Sergei Schoigu die Einrichtung von drei durch syrische und russische Soldaten „geschützte humanitäre Korridore“, durch die die Zivilbevölkerung Aleppo verlassen soll. Diese „von Präsident Putin geplante groß angelegte humanitäre Operation“ werde „Zivilisten helfen, die von Terroristen als Geiseln genommen wurden“, erklärte Schoigu im russischen Fernsehen.

Außerhalb der nordsyrischen Metropole sollten Erste-Hilfe-Punkte und Plätze für die Ausgabe von Lebensmitteln eingerichtet werden. Durch einen vierten Korridor sollen Mitglieder von Rebellenmilizen und Kämpfer des „Islamischen Staats“ (IS) die Stadt verlassen können, wenn sie sich ergeben und ihre Waffen abliefern.

Die von Moskau und Damaskus verkündete „humanitäre Operation“ ist Teil einer bislang geheimgehalten Vereinbarung, die US-Außenminister John Kerry vor zwei Wochen in Moskau mit seinem russischen Amtskollegen Sergei Lawrow getroffen hatte. Sie soll die Voraussetzung schaffen für eine militärische Kooperation zwischen den Streitkräften beider Länder bei der Bekämpfung des IS und der Al-Nusra-Front, des syrischen Al-Qaida-Ablegers. Das bestätigten US-amerikanische und russische Diplomaten gegenüber der taz.

Lebensmittel aus der Luft

Hochrangige Militärvertreter Russlands und der USA wollen in den nächsten Tagen in Genf eine Verständigung darüber erzielen, welche der in der Provinz Aleppo und anderen Teilen des Landes agierenden bewaffneten Gruppen neben dem IS und der Al-Nusra-Front ebenfalls als Terroristen einzustufen sind und künftig gemeinsam von den Luftstreitkräften beider Länder bekämpft werden sollen.

Zu diesen Beratungen werde „auf Anforderung von US-Außenminister John Kerry eine von einem General geleitete Delegation nach Genf reisen“, erklärte Militärminister Schoigu. Angesichts der drohenden russisch-amerikanischen Militärkooperation verkündete die Al-Nusra-Front am Donnerstag, sie habe sich von al-Qaida getrennt.

Die Korridore sind Teil eines Abkommens zwischen den Außenministern Kerry und Lawrow

Nach Angaben von Menschen­rechtsbeobachtern aus Aleppo hätten bereits am Donnerstag Hubschrauber der Regierungsstreitkräfte Flugblätter über den Rebellenvierteln abgeworfen, die die vier Evakuierungsrouten aus der Stadt zeigten. Zudem seien in einigen Vierteln Lebensmittel abgeworfen worden. Die Bevölkerung sei jedoch noch zurückhaltend, sagte ein Aktivist.

Assad sagte den Rebellen für den Fall ihrer Kapitulation in den nächsten drei Monaten eine Amnestie zu. Zudem forderte Assad die Rebellengruppen zur Freilassung aller Gefangenen auf. Diejenigen, die ihre Gefangenen frei ließen, würden von einer Bestrafung ausgenommen, wenn sie sich innerhalb eines Monats stellten.

Wahlkampfhilfe für Clinton

Die Verkündung der „humanitären Operation“ erfolgte, nachdem die syrischen Regierungsstreitkräfte mit Unterstützung der russischen Luftwaffe die Rebellengruppen in Aleppo von allen Versorgungslinien abgeschnitten und in der Nacht zum Donnerstag einen weiteren Stadtteil erobert hatten. Sollte das mit der „humanitären Operation“ verbundene Kalkül der Regierungen in Damaskus und Moskau aufgehen, wären das knappe west­liche Drittel des syrischen Staatsterrito­riums von der türkischen Grenze über Aleppo, Hama, Homs und Damaskus bis zur Südgrenze mit Jordanien wieder fast vollständig unter Kontrolle der Regierungstruppen und des russischen Militärs.

Östlich von diesem Rumpfstaat blieben etwa 50 Prozent des Territoriums – überwiegend Wüste – bis zur Stadt Deir al-Sor unter Kontrolle des IS. Und im Nordosten entlang der Grenze zur Türkei hätten die Kurden ihr autonomes Gebiet. US-Präsident Barack Obama und seine Nachfolgebewerberin Hillary Clinton blieben im Wahlkampf die täglichen Schreckensbilder von Krieg und der leidenden Bevölkerung Aleppos erspart.

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