Krieg in Syrien: Alawiten gehen auf Distanz zu Assad
Angehörige der religiösen Minderheit sprechen sich in einem Dokument für einen demokratischen Staat aus. Nun stellen sich einige Fragen.
Die Reform bezieht sich auf eine Veränderung ihrer Stellung als Religionsgemeinschaft, aber auch auf die gegenwärtige Verfasstheit des syrischen Staates. Damit distanzieren sie sich vom Assad-Regime.
Hinsichtlich der Religion weisen die Verfasser des Dokuments jede Vereinnahmung der Alawiten als integralen Teil des Schiismus oder einer seiner Unterströmungen zurück. Stattdessen definieren sie sich als eine eigenständige islamische Religion, unabhängig von Schiiten und Sunniten, und betonen zugleich, dass der Koran ihr einziges religiöses Buch sei. Im innersyrischen Kontext ist das als ein Schritt in Richtung einer Versöhnung mit den Sunniten zu bewerten, von denen viele das Assad-Regime ablehnen und militärisch bekämpfen.
In politischer Hinsicht befürworten die Verfasser des Dokuments eine Trennung zwischen Staat und Religion. Sie setzen sich für einen säkularen, demokratischen Staat ein, der auf der Gleichheit aller Bürger basiert. „Die herrschende Macht, wer immer sie verkörpert, repräsentiert uns nicht, bestimmt nicht unsere Identität oder sorgt für unsere Sicherheit und unser Ansehen“, heißt es in dem Dokument. Einer der Initiatoren sagte gegenüber der Welt am Sonntag: „Das jetzige Regime ist totalitär und vertritt nicht die Alawiten. Damit es Frieden geben kann, müssen seine Vertreter aus der Regierung verschwinden.“
Sollte das Dokument, in dem der Name Assads nicht erwähnt wird, authentisch sein, wäre es angesichts des Bürgerkriegs ein wichtiger Schritt, auf den Teile der Opposition lange gehofft haben. Bislang gingen Beobachter davon aus, dass Syriens Alawiten im Assad-Regime einen Garanten für die eigene Sicherheit sahen. Doch mittlerweile sind im Kampf für Assad so viele junge Alawiten ums Leben gekommen, dass unter den alawitischen Küstenbewohnern Unmut und Kritik wuchsen. Desertionen und Flucht waren die Folge.
Sollte Präsident Assad, der mit Iran, Hisbollah und anderen Milizen gleich mehrere ausländische schiitische Verbündete hat, den Rückhalt eines Teils der Alawiten verlieren, hätte er ein Legitimationsproblem und wäre intern deutlich geschwächt.
Allerdings stellen sich hinsichtlich der Veröffentlichung des Dokuments einige Fragen. So wurden die Namen der Initiatoren der Erklärung vermutlich aus Sicherheitsgründen nicht veröffentlicht. In dem Dokument gibt es mehrfach Bezüge auf das „Haus“ – im alawitischen Kontext eine Bezeichnung für das Haus des Patriarchen, also des Oberhaupts einer Großfamilie. Daher wird angenommen, dass die Verfasser aus diesem Personenkreis stammen.
Über eine eigene religiöse Hierarchie verfügen die Alawiten nicht; das wussten die Assads zu verhindern. Auch ist nicht bekannt, wie repräsentativ das Papier ist; die Initiatoren gehen davon aus, dass 30 bis 40 Prozent der Alawiten hinter ihnen stehen.
Ebenso wenig ist bekannt, seit wann über das Dokument diskutiert wurde und was der Anlass für die Initiative war. Möglicherweise wollen die Führer der alawitischen Gemeinde sich für den Fall politischer Veränderungen rüsten. Dann können sie ein beizeiten veröffentlichen Dokument vorweisen, das ihre Distanzierung vom Assad-Regime dokumentiert.
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