Krieg in Libyen: Nato verlängert Einsatz bis September
Eine "klare Botschaft an Gaddafi" will die Nato mit der Verlängerung ihres Einsatzes senden. Das Bündnis will zudem über die Aufgabenteilung des Einsatzes beraten.
BRÜSSEL dapd | Die Nato hat am Mittwoch eine Verlängerung ihres Libyen-Einsatzes um drei Monate bis Ende September beschlossen und damit den Druck auf Machthaber Muammar al Gaddafi erhöht. "Die Entscheidung ist eine klare Botschaft an sein Regime", sagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. "Wir sind entschlossen, unsere Mission zum Schutz der libyschen Bevölkerung fortzusetzen und den Auftrag der Vereinten Nationen zu erfüllen."
Der Kampfeinsatz "Unified Protector" begann am 31. März und war zunächst bis zum 27. Juni mandatiert. Am Mittwoch beschlossen die Bündnisbotschafter die Verlängerung um weitere 90 Tage. Dass die Entscheidung schon vier Wochen vor Ablauf der Frist getroffen wurde, hat nach Diplomatenangaben zwei Gründe.
Einerseits soll Gaddafi klargemacht werden, dass er den Konflikt nicht aussitzen könne. Zum zweiten wollen die treibenden Nationen Frankreich, Großbritannien und USA die kommenden Wochen nutzen, um andere Nato-Partner für neue oder größere Beiträge zu gewinnen, um ihr eigenes Engagement zurückfahren zu können. "Angestrebt wird eine größere Lastenteilung", sagte ein Nato-Diplomat. Der Einsatz solle "auf ein breiteres Fundament" gestellt werden. Die Bundesregierung hat stets klargemacht, dass sie sich nicht an dem Kampfeinsatz in Libyen beteiligen wird.
Rasmussen sprach zudem von einer klaren Botschaft an die libysche Bevölkerung. "Die Nato, unsere Partner und die gesamte internationale Gemeinschaft stehen Ihnen bei", sagte er an die Adresse der Libyer. "Wir stehen zusammen, damit Sie ihre eigene Zukunft gestalten können. Und der Tag rückt näher."
Gaddafi will sich nicht beugen
Auch wenn das Bündnis weiter keine Bodentruppen nach Libyen entsenden will, wurde auch der militärische Druck in den vergangenen Tagen erhöht. Kampfjets des Bündnisses beschießen inzwischen alle identifizierbaren Ziele, die für die Kommandostrukturen oder die Nachschublinien von Gaddafis Truppen eine Rolle spielen. Nach Angaben von übergelaufenen libyschen Generälen wurde die Kampfkraft von Gaddafis Streitkräften seit Beginn des Einsatzes auf ein Fünftel reduziert, heißt es im Brüsseler Nato-Hauptquartier.
Dessen ungeachtet will Gaddafi weiter durchhalten. Der Machthaber sei nicht bereit, sein Land zu verlassen, hatte der südafrikanische Präsident Jacob Zuma am Dienstag nach der Rückkehr von seiner Vermittlungsmission in Tripolis erklärt. Bevor ein Dialog beginnen könne, müssten die Nato-Luftangriffe gestoppt werden, habe Gaddafi betont.
Explosionen in Tripolis
Die libysche Hauptstadt Tripolis ist am Dienstagabend von sechs schweren Explosionen erschüttert worden. Wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete, überflogen am späten Abend erneut Kampfflugzeuge die Stadt. Kurz darauf erfolgten zwei Explosionen, gefolgt von vier weiteren im Abstand von wenigen Minuten. Die Ziele der Angriffe waren demnach zunächst unklar.
Die Nato fliegt seit Mitte März fast täglich Einsätze gegen den libyschen Machthaber Muammar el Gaddafi, um so Angriffe seiner Truppen auf Zivilisten zu verhindern. Zuletzt war auch mehrfach Gaddafis Residenz angegriffen worden.
Der Führung in Tripolis zufolge kamen bei den Angriffen der Nato bislang mindestens 718 Zivilisten ums Leben. 4.067 weitere seien zwischen dem 19. März und dem 26. Mai verletzt worden, erklärte Regierungssprecher Mussa Ibrahim. Einen Machtverzicht Gaddafis schloss er erneut aus. Dies sei das "schlimmste Szenario" für das Land, sagte Ibrahim, der zugleich vor einem Bürgerkrieg warnte. Mit Gaddafi würde Libyen sein "Sicherheitsventil" verlieren.
Die Nato-Verteidigungsminister treffen sich am kommenden Mittwoch in Brüssel, um über das weitere Vorgehen im Libyen-Krieg zu beraten. Es wird erwartet, dass sie sich zur Geschlossenheit gegenüber Gaddafi bekennen und ihm klarzumachen versuchen, dass seine Zeit unwiederbringlich abläuft.
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