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Krieg in GeorgienRussland zieht Truppen ab

Russlands Präsident Medwedjew verkündet das Ende der Kämpfe und will Truppen aus Südossetien abziehen. Die UNO spricht von 100.000 Flüchtlingen.

Wasser für eine Frau: Flüchtlinge aus Zchinwali Bild: dpa

GENF/MOSKAU/TIFLIS afp/dpa/ap/taz Russland beendet nicht nur die Kampfhandlungen gegen Georgien, sondern wird auch seine Truppen aus Süd-Ossietien abziehen. Das ordnete Russlands Präsident Dmitri Medwedjew am Dienstag an.

Die Sicherheit der russischen Friedenssoldaten und der russischen Staatsbürger sei gewährleistet, sagte Medwedjew in schönstem Kremlinsprech. Der "georgische Aggressor" sei bestraft. Zugleich erteilte er dem russischen Verteidigungsministerium den Befehl, die Kampfhandlungen jeder Zeit wieder aufzunehmen, sollte in der von Georgien abtrünnigen Region Südossetien wieder Gewalt an der Bevölkerung verübt werden.

Dennoch hatte Georgiens Regierung gemeldet, dass die russische Armee weiterhin einzelne Luftangriffe auf georgische Ziele verübt. Die Streitkräfte hätten Angriffe gegen zwei Dörfer in der Nähe von Südossetien geflogen, hieß es in Tifilis.

Georgiens Präsident Michail Saakaschwili kündigte derweil am Dienstag auf einer Kundgebung in Tiflis an, dass Georgien die von Russland dominierte Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) verlassen wolle. "Wir haben die Entscheidung gefällt: Georgien verlässt die GUS", sagte er. Er habe das Parlament aufgefordert, entsprechende Schritte einzuleiten.

US-Hilfen für Georgien

Seit 2004 stellte Washington nach Angaben des US State Department mehr als 460 Millionen Dollar (rund 309 Millionen Euro) Hilfe für Georgien bereit, dafür waren über 190 Millionen für Sicherheit und Militär bestimmt. Rund 130 US-Militärausbilder sind ständig in Georgien stationiert. Wenige Tage vor Beginn der Kämpfe um Südossetien übten etwa 1.000 US-Soldaten und 600 Georgier in einem Manöver bei Tiflis den Ernstfall - nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums zur Vorbereitung eines Einsatzes im Irak.

Das renommierte Stockholmer Friedensinstitut SIPRI dokumentierte für die Zeit zwischen 2003 und 2007 Waffenimporte im Umfang von 183 Millionen Dollar nach Georgien. Die größten Aufträge gingen demnach mit 71 Millionen in die Ukraine und mit 60 Millionen an die Tschechische Republik. Waffenkäufe in den USA sind nicht verzeichnet.

Durch den bewaffneten Konflikt zwischen Georgien und Russland sind nach UN-Angaben nunmehr rund 100.000 Menschen in die Flucht getrieben worden. Das UN-Flüchtlingshilfswerk in Genf (UNHCR) gab am Dienstag diese Zahl bekannt und rief die Verantwortlichen vor Ort auf, humanitäre Korridore zur Versorgung der Menschen zu öffnen. Unter Berufung auf Angaben der georgischen und der russischen Regierung nannte das UNHCR die Zahl von rund 30.000 Menschen, die von Südossetien nach Nordossetien flohen. Zudem gebe es in Südossetien rund 12.000 Binnenflüchtlinge. Aus der georgischen Stadt Gori, die mehrere Tage lang das Ziel russischer Luftangriffe war, flohen demnach 56.000 Menschen.

Die russischen Kampfverbände werden bis auf Weiteres in Georgien bleiben. Das teilte der stellvertretende Generalstabschef Anatoli Nogowizyn am Dienstag nach Angaben der Agentur Interfax mit. "Die russischen Truppen bleiben da, wo wir sie hin befohlen haben", sagte Nogowizyn.

Im Krieg zwischen Russland und Georgien waren zuvor alle diplomatischen Register gezogen worden. In New York beriet der UN-Sicherheitsrat in einer geheimen Dringlichkeitssitzung über einen Aufruf zum sofortigen Waffenstillstand. Der französische Außenminister Bernard Kouchner wollte seine Vermittlungsbemühungen am Dienstag in Moskau fortsetzen. Der französische Präsident und amtierende EU-Ratspräsident Nicolas Sarkozy wurde in Moskau und Tiflis erwartet. Die Präsidenten Polens, der Ukraine und der drei Baltenstaaten Lettland, Estland und Litauen kündigten einen Solidaritätsbesuch in Tiflis an.

In scharfen Worten forderte US-Präsident George W. Bush Moskau zur Umkehr auf. Eine "dramatische und brutale Eskalation" des gegenwärtigen Konflikts könne Russlands Beziehungen zum Westen gefährden. Russland sei in einen "souveränen Nachbarstaat einmarschiert und bedroht eine demokratisch gewählte Regierung", sagte der US-Präsident nach einer Krisensitzung mit dem Nationalen Sicherheitsrat in Washington. Eine solche Militäröffensive sei im 21. Jahrhundert völlig inakzeptabel.

Die russische Regierung und das Militär vor Ort störten die diplomatischen Avancen wenig, der Vormarsch ging weiter. Das wirkliche Ausmaß der russischen Offensive in Georgien blieb weiter unklar. Es gibt Bilder von russischen Angriffen auf die unmittelbar südlich von Südossetien gelegene Gori, der Geburtsstadt des Sowjetdiktators Stalin. Russische Truppen legen anscheinend eine Art Sicherheitskordon von etwa zehn Kilomter um die Grenzen Südossetiens.

Schwedens Außenminister Carl Bildt landete gestern in Tiflis. Im Stockholmer Rundfunksender SR sagte er, Russland habe mit "Bodentruppen und ziemlich ausgedehnten Luftschlägen die georgischen Militäranlagen einschließlich Radarstationen, Kommunikation und Armeelager komplett zerstört". Durch die Angriffe seien auch "massive wirtschaftliche Schäden" für Georgien entstanden.

Die sowieso auf dem Rückzug befindliche georgische Armee wird unterdessen auch von der zweiten abtrünnigen Provinz Abchasien aus unter Druck gesetzt. Das abchasische Verteidigungsministerium verkündete, eine Offensive gegen die georgischen Truppen in der Kodori-Schlucht gestartet zu haben - dem einzigen Gebiet in Abchasien, das von Georgien kontrolliert wird. Abchasische Truppen seien am Morgen in den oberen Teil der Schlucht eingedrungen, berichteten auch Korrespondenten der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Abchasien versucht seit Samstag, die dort etwa 1500 Mann starken georgischen Truppen aus der Kodori-Schlucht zu vertreiben. Die abtrünnige Provinz hatte sich ebenso wie Südossetien Anfang der 90er Jahre von Georgien abgespalten. Nach dem Völkerrecht gehören beide Gebiete jedoch weiter zu Georgien.

Die einzige Hilfe, die die USA den Georgiern im Konflikt offiziell zukommen ließen war eine Luftbrücke; 2.000 georgische Soldaten wurden zur Verstärkung aus dem Irak in ihre Heimat eingeflogen. Ach ja: Und die Website des georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili president.gov.ge ist nach Hackerangriffen - angeblich aus Moskau und St. Petersburg - zu einem Provider in den USA umgezogen.

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8 Kommentare

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  • RK
    Roland Kühne

    Bei all dem Genannten sollten wir nicht die vielen anderen Ungerechtigkeiten und Konflikte dieser Welt aus dem Auge verlieren. Wie steht es denn z.B. um die Einhaltung von UN - Resolutionen bezüglich Palästina, Jerusalem etc.? Wer verstösst denn dort seit Jahrzehnten ohne dem Jaulen von Regierenden und internationalen Organisationen dagegen?

     

    Jeder Krieg, und jeglicher Militäreinsatz ist abzulehnen. Die Leidtragenden sind immer die Menschen. Die Menschen, die Ihre Steuern dafür zahlen, dass mit der Verteidigung Deutschlands am Hindukusch Einzelpersonen Geld (verdienen). Die Menschen die alles verloren haben. Auf der Flucht sind. Ums nackte Überleben kämpfen. Wer tut etwas für diese Menschen? Doch nicht die Regierenden von denen sie gewählt wurden. Die sind doch längst Lobbyisten der Rüstungsindustrie. Die Chance auch so viel Geld, wie im Rüstungsgeschäft zu verdienen haben wir ja. Geben wir doch die für die Rüstung verwendeten Steuergelder für den Umweltschutz aus. Dort haben wir Handlungsbedarf. Es wird immer von Kosten dafür gesprochen. Damit könnten wir Geld verdienen. Arbeitsplätze und soziale Gerechtigkeit schaffen.

     

    Ich finde eine Gesellschaft ist nur gerecht, wenn der Einzelne entscheiden kann, wofür seine Steuern genutzt werden. Damit käme das Rüstungsgeschäft bald zum Erliegen. Denn die Wenigen, die daran Interesse haben, zahlen ja die wenigsten Steuern.

     

    Sorry! I'm a dreamer, but I'm not the only one!

     

    Übrigens was wäre es, wenn das schöne Neckarstädtchen Oberndorf in Schutt und Asche gelegt würde? Ein Kollateralschaden? Angriff auf zivile Menschen? Schaut Euch nur die Handfeuerwaffen der georgischen Soldaten auf den Bildern in den Medien genau an. Eure Steuergelder als Bundesbürgschaft.

  • H
    hessebub

    Glaubt hier wirklich jemand die Russen brauchen USA-Irak als Vorbild oder Legitimation ihres Handelns? Erinnert sich noch jemand an Tschetschenien? Eine typische, reichlich unsouveräne Hau-Drauf Reaktion ohne Rücksicht auf Verluste und die eigene Reputation.

     

    Saakaschwili wiederum ist eine Paradebeispiel dafür, wie schwer es für großmächte ist, kleine Partner im Zaum zu halten, wie chon im guten alten Cold War. Die USa haben oft genug durch die Blume deutlich gemacht, dass sie solche Abenteuer nicht unterstützen würden. Unerklärlich, wie S. so verantwortungslos handeln konnte.

     

    Über Bush's "scharfe Kritik" wird Putin sich totlachen. Langfristig begibt sich die PUdSSR allerdings mit dieser Politik in die Isolation. Jetzt werden die westlichen Anrainer erst Recht beim US-Schutzschildprogramm mitmachen.

     

    Für Deutschland allerdings gibt es jetzt die große Chance den Traum der germano-russischen Allianz zu realisieren: Gazprom-Schröder zum European Song Contest 2009 nach Moskau (Songtitel: Rapallo Rapallo), dann als Zar aufs Lebenszeit nach Berlin.

  • TS
    Till Schilling

    @uthome

    Was die NATO Mitgliedsstaaten meiner Meinung nach bewerten muessen, ist ob sie nicht die NATO verlassen wollen. Zu nach dem Zusammenbruch der SU hat sich die Moeglichkeit einer neuen Friedensordnung in Europa geboten. Diese Chance wurde unter der Fuehrung der USA verpasst und die Politik gegenueber Russland zunemend konfrontativer. Was waere jetzt passiert, wenn es Bush gelungen waere Georgien in die NATO zu pressen wie er er wollte? Um Georgien fuer die Entsendung von Truppen nach Irak zu bezahlen.

     

    Es waere an der Zeit dass europaische Politiker ihre Sicherheit selber in die Hand naemmen und sich nicht von der amerikanischen Cowboy Politik abhaengig machen.

     

    Die NATO ist am Ende.

  • T
    Tigerin

    Die Menschen leiden und krepieren wegen seines Krieges...und wir sollen für die Opfer seines Wahnsinns spenden...während Saakaschwili im feinen Anzug lacht und strahlt. So zu sehen in einem Video auf Spiegel-Online bei der Begrüßung des französischen Vermittlers. Widerlich. Statt einer Verurteilung des Bush-'Kunpels' Saakaschwili "analysiert" alle Welt die vermeintliche Aggression Rußlands...Sorry, aber da ist der Bezugsrahmen etwas durcheinander geraten.

  • B
    baiki

    Die USA waren also doch noch immer die Nation, die von den anderen Staaten am intensivsten beobachtet werden, und jetzt zeigen sich einmal mehr die dramatischen Auswirkung ihres völkerrechtswidrigen Krieges gegen Irak: Natürlich verwenden ihn jetzt moralisch keineswegs überlegen agierende Staaten wie das revanchistische Russland als Blaupause, um ihre langjährigen strategischen Ziele mit derselben Argumentation zu unterfüttern (z. B. "Saarkaschwili = Saddam Hussein", "Verbrechen an der Menschlichkeit"). Dass Russland in Süd-Ossetien eingreift, ist nachvollziehbar. Russland hat aber nicht klug gehandelt, als es ohne internationale Absprachen beinahe unmittelbar danach Ziele in Kern-Georgien angegriffen hat und muss sich nun nicht wundern, in diesem Konflikt selbst als überzogen vorgehender Aggressor gesehen zu werden, der eiskalt seine geopolitischen und innenpolitischen (PUTIN!) Strategien verfolgt. Dass die USA ebenso handeln, ist vielleicht eine von vielen Erklärungen, aber eben keine Legitimation dafür, auf dieselbe Art zu verfahren!).

    Welch Problem für Medwedew: Sollte dieser beabsichtigt haben, die russische Politik zu reformieren, steht er bereits jetzt vor einem Scherbenhaufen - auf jeden Fall aber hinter Putin.

  • U
    uthome

    Was wird jetzt

    aus dem NATO-Russlandrat? Hat der noch eine Grundlage oder muss die NATO und müssen ihre Mitgliedsstaaten die Russlandpolitik neu bewerten. Die nachsichtige Haltung hat s ja wohl nicht gebracht!

  • M
    MaxW

    ...wer fordert da "in scharfen Worten"? Ach, Bush? Der Präsident, der sich, auf Gott berufend, über alle internationalen Verträge und das Völkerecht hinwegsetzt. Der Präsident der imperialistischen Supermacht, der es egal war und ist, wie eine Regierung zustande kam. Hauptsache sie dient den Interessen des westlichen Hegemons.Der alle Welt in der UNO angelogen hat um die Ölquellen des Irak an seine Firmen zu verscherbeln und für Stützpunkte dort. "..dramatische und brutale Eskalation..." Da hat er Recht. Überfällt doch das böse, sowjetkommunistische Rußland, das kleine, von ihrem ach so demokratischen Präsidenten geführte Georgien...Oh, ausgeträumt. Eigentlich hat ja Georgien den Krieg begonnen...aber wenn diese Erkenntnis dem Westen und den Medien nicht in den Kram paßt, wird sie auch geflissentlich ignoriert. Genauso, wie fortlaufende völkerrechtsverletzungen der westlichen Länder in Irak und Afghanistan und bombardierungen von Zivilisten durch westliche Bomber in den Medien kaum kommentiert werden. Das einzige, das Bush wirklich nicht passen wird: daß Rußland sich jetzt genauso wie die USA verhält und sich nicht mehr alles bieten läßt. Und unsere Politiker fordern Waffenstillstand..natürlich adressiert in erster Linie an Rußland.Welch Heuchelei.Das Elend der normalen Menschen spielt dabei die geringste Rolle!

  • S
    Salvaria

    Das Bush meckert, ist doch lachhaft. oben bauen beide staaten n raumschiff zusammen und unten tun die so, als würden sie gegeneinander agieren. gut gelacht