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Krieg im LibanonNoch keine Waffenruhe in Sicht

Während um ein Abkommen verhandelt wird, greift Israel in der libanesischen Hauptstadt Beirut an. Und auch die Hisbollah schießt weiterhin Raketen auf Israel.

Zerstörung mitten in Beirut: Nach den Angriffen in Basta Fawqa Foto: Thaier Al-Sudani/reuters

Berlin taz | Zum zweiten Mal in diesem Krieg hat Israel in der Nacht zum Samstag den Beiruter Stadtteil Basta Fawqa angegriffen. Nach libanesischen Angaben kamen mindestens 20 Menschen dabei um, Dutzende weitere wurden verletzt. Jaafar, der nur seinen Vornamen nennt, lebt in dem Viertel: Um vier Uhr morgens, erzählt er, habe er die Einschläge gehört, vier nacheinander, und sehr laut. Bis sieben Uhr morgens bleiben er und seine Familie wach: „Was sollen wir machen?“, fragt er.

Eine Evakuierungsaufforderung des israelischen Militärs gab es laut Medienberichten vor den Angriffen nicht. Am Samstag, so Jaafar, hätten schließlich die Menschen im Nachbargebäude Anrufe mit der Aufforderung zu evakuieren erhalten. Ob sie echt waren, wisse er nicht. Mit seiner Familie hat er mittlerweile das Viertel verlassen, und ist bei einer Tante in einem benachbarten Viertel untergekommen. Das Ziel des Angriffs soll laut israelischen Sender Kan der wichtige Hisbollah-Kopf Mohammad Haydar gewesen sein. Die Hisbollah bestätigte seinen Tod bisher nicht.

Das dicht besiedelte Viertel Basta Fawqa liegt zentral in Beirut, einige Kilometer von den zumeist angegriffenen schiitisch geprägten Vorstädten entfernt. Es ist ebenfalls mehrheitlich schiitisch besiedelt, in den Straßenzügen sind vor allem Fahnen der Amal – eine mit der Hisbollah verbündete Partei und Miliz – sichtbar.

Jüngst hatte Israel seine Offensive auf Beirut und die Vororte intensiviert. Als der US-Sonderbeauftragte Amos Hochstein sich zu Beginn der vergangenen Woche in Beirut aufhielt, um dort weiter über ein Waffenstillstandsabkommen zu verhandeln, flauten sie kurzfristig ab. Viele Libanesinnen und Libanese sehen darin eine Strategie, Druck auf die Hisbollah und auch Amal aufzubauen, um ein Waffenstillstandsabkommen zu akzeptieren. Mit dem Kopf der Amal, Parlamentssprecher Nabih Berri, hatte Hochstein in Beirut Gespräche geführt.

Ein Soldat im Südlibanon getötet

Das derzeit diskutierte Waffenstillstandsabkommen soll nach Angaben der New York Times einen 60-tägigen Waffenstillstand etablieren, während dessen sich Israels Streitkräfte aus Südlibanon und die Hisbollah hinter den Litani-Fluss zurückziehen sollen. Die libanesische Armee und die UN-Friedenstruppe Unifil sollen dann ihre Präsenz im Süden des Landes verstärken, ein neuer Mechanismus, und angeführt von den USA, sicherstellen, dass die beiden Konfliktparteien das umkämpfte Gebiet nicht benutzen. So soll Israels Kriegsziel – die Rückkehr der 60.000 von der Nordgrenze vertriebenen Bewohnerinnen und Bewohner – erreicht werden.

Um vier Uhr morgens, erzählt Jaafar, habe er die Einschläge gehört: vier Stück, sehr laut

Viel Vertrauen scheint darin aber nicht zu bestehen: Am Sonntag starb bei einem israelischen Angriff in Südlibanon mindestens ein Soldat der libanesischen Armee, weitere wurden verletzt. Der libanesische Interimspremier Najib Mikati nannte den Angriff „eine direkte und blutige Botschaft, die alle Bemühungen um einen Waffenstillstand, und um eine verstärkte Präsenz der libanesischen Armee im Süden“ zurückweise. Darüber hinaus hielten die Angriffe auf Südlibanon, die Bekaa-Ebene und Südbeirut am Wochenende an.

Dass die Hisbollah trotz der Bodenoffensive in Südlibanon und der vielen Luftangriffe weiterhin fähig ist, auch Ziele tief in Israel mit ihren Raketen zu erreichen, hat sie am Sonntag erneut gezeigt: Nach eigenen Angaben griff sie mehrere israelische Militärpositionen an, darunter eine Basis nahe ­Ashdod, etwa 150 Kilometer von der Nordgrenze entfernt. Nach israelischen Angaben wurden bis Sonntagnachmittag mindestens 180 Raketen auf Israel abgeschossen, die meisten davon wurden aber wohl abgefangen.

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