Krieg im Gazastreifen: Nur eine „Mindestmenge“ an Hilfsgütern für Gaza
Erstmals seit März soll in Gaza wieder humanitäre Hilfe ankommen. Israels Ministerpräsident dämpft die Hoffnungen: Die Maßnahme sei nur temporär.

Die humanitäre Lage in dem Küstenstreifen ist katastrophal. Israel hat seit Anfang März alle Lieferungen von Essen, Medikamenten, Treibstoff und humanitären Gütern wie Zelte für die mehr als zwei Millionen Menschen im weitgehend zerstörten Gazastreifen unterbunden. „Menschen werden in den Straßen ohnmächtig, ich kann zusehen, wie die Leute Gewicht verlieren“, sagte Jazdan El Amawi von der Hilfsorganisation Anera aus dem Gazastreifen bei einem Pressetermin vergangene Woche.
Laut Ärzte ohne Grenzen würden Durchfallkrankheiten, Unterernährung und Dehydrierung häufiger. Die wichtigsten Nothilfeorganisationen für Nahrungsmittel, das Welternährungsprogramm und die Hilfsorganisation World Central Kitchen, haben ihre Notküchen und Bäckereien bereits geschlossen. Ein Sack Mehl kostete zuletzt zwischen 500 und 600 Dollar.
Die nun beschlossenen Hilfslieferungen dürften daran nur wenig ändern. Laut palästinensischen Medien sollen am Montag rund 50 Lastwagen mit Nahrungsmitteln in den Küstenstreifen gelassen werden. Israelische Medien sprachen zudem von neun Lastwagen mit Babynahrung. Laut einem Bericht der IPC-Initiative für die Analyse von Nahrungskrisen sind über 70.000 Kinder akut unterernährt.
Streit im israelischen Sicherheitskabinett
Netanjahu erklärte, Israel werde nur eine „Mindestmenge“ an Nahrung nach Gaza lassen. Dabei handle es sich um eine „temporäre einwöchige Maßnahme“, bis ein umstrittener US-gestützer Hilfsmechanismus aufgebaut sei, berichtet die Zeitung Haaretz unter Berufung auf einen hochrangigen israelischen Vertreter. Zudem sollen die Hilfsgüter nur in bestimmten, von der Armee ausgewiesenen Bereichen verteilt werden. Hilfsorganisationen nannten den alternativen Hilfsmechanismus, der Anfang Juni die Arbeit aufnehmen soll, unzureichend und potenziell völkerrechtswidrig.
Trotz des geringen Umfangs der Hilfstransporte hatte die Entscheidung laut dem israelischen Kanal 12 zu Streit im Sicherheitskabinett geführt. Einwände des rechtsextremen Polizeiministers Itamar Ben Gvir soll Netanjahu demnach mit Verweis auf Druck durch US-Präsident Donald Trump zurückgewiesen haben. Außenminister Gideon Saar habe von Warnungen europäischer Regierungen, einschließlich möglicher Sanktionen, berichtet.
Die israelische Armee setzt ihre am Sonntag begonnene Offensive im Gazastreifen indes mit derzeit fünf Divisionen fort. Das Militär erklärte am Montagmittag die gesamte Stadt Chan Junis im Süden Gazas zur Kampfzone. Die Bewohner sollen sich in den schmalen Küstenstreifen Al Mawasi begeben. Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa berichtete von 23 Toten bei Angriffen im Gazastreifen seit dem Morgen.
Netanjahu bekräftigte derweil in seiner Videobotschaft, Israel werde „ganz Gaza einnehmen“. Die Hoffnung, die israelische Offensive noch abzuwenden, schwinden indes weiter. Laut israelischen Medienberichten gibt es bei den indirekten Gesprächen zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas in Katar keine Fortschritte.
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