: Kreiselnd im Verdauungstrakt
■ In Heidengeld träumt Dagmar Kamlah Prinzessinnenträume
Frankfurt kann ein gesichtsloser Ort sein. In den wenigen alten Gassen kauert eine falsche Gemütlichkeit. Die Repräsentationssucht vermeintlicher Weltwirtschaftler hat städtebauliche Wunden oder bronzene Menetekel auf falschem Marmor hinterlassen. Eine Losung auf der Wand – „Heidengeld“– ist in Dagmar Kamlahs gleichnamigem Spielfilmdebüt sowohl Firmenname als auch Einführung in ein raffiniert erdachtes Episodengeflecht rund um den Verdauungstrakt der Waren- und Geldwelt.
Die Kluge-Schülerin, die für Heidengeld 1996 den Hessischen Filmpreis erhielt, flicht ihren Plot allein aus den funktionalen Bestimmungen ihrer Figuren. Eine Nahrungsforscherin schmeckt Gerichte ab, trifft oder verletzt ihren Freund und kolonialisiert Frankfurt mit kleinen Geschmackswimpeln auf dem Stadtplan nach Gusto. Oder Penny. Sie träumt im Voice-over Prinzessinnenträume, bis die Vision ihr tatsächlich über die Lippen geht und in Form eines Geldspenders gar entgegen kommt. Schließlich So lange, die nichts gegen Reichtum und Strukturalismus hat.
Die schönsten Momente des Films sind die, in denen die Geschichten tatsächlich umeinander kreiseln. Nur angetrieben von der Lust am Erzählen und nicht gebremst durch die Bedeutungswut eines Foucault-lesenden Buspassagiers. Wenn die Figuren plötzlich auf etwas prallen, was ihrem Dümpeln zwischen Nahrungskette, Zahlungsverkehr und unbedeutender Arbeitserfüllung eine neue Richtung gibt. Einen Kreisel zum Beispiel oder einen unverhofften Geschmack.
Doch irgendwann lahmen die Bilder. Eine spannungsarm fotografierte Zimmerdeckenecke, ein gelangweilter Bushaltestellenschwenk und die schöne Idee des Drehbuches geraten zu einer seltsam uninspirierten Fingerübung. Statt unangestrengter Vieldeutigkeit, statt pointierter Einstellungen, bebildert das Ganze zunehmend lose Eindrücke geschäftiger Monotonie.
Da werden barock anmutende Rezepte zitiert, deren Harmonielehre als wahlverwandtschaftliche Zutat unter das Personal gehoben. Und wenn Gestorbenes auf dem Teller landet oder gegen Scheine über die Ladentheke geht, schließt sich zwar wunderbar der Kreislauf. Seine Figuren hat er jedoch auf halber Strecke vergessen. big
Metropolis
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen