piwik no script img

Kreditwürdigkeit der Türkei herabgestuftErdogan ist nicht mal mehr Ramsch

Die Türkei steckt in einer Finanzkrise. Die könnte sich nach schlechteren Rating-Noten verschärfen. Das dürfte Einfluss auf die Kosten der Verschuldung haben.

Unter türkischen Basarhändlern macht sich Ratlosigkeit breit Foto: ap

New York/London dpa | Der Druck auf die finanziell und wirtschaftlich angeschlagene Türkei wächst. Mit Standard & Poor's (S&P) sowie Moody's haben zwei große Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit des Landes noch tiefer herabgestuft.

S&P setzte das Rating am Freitag von BB- auf B+ zurück. Damit gelten Staatsanleihen der Türkei, die ohnehin schon als Ramsch eingestuft sind, nun als sehr spekulativ. Später nahm auch Moody's sein Türkei-Rating um eine Stufe zurück.

Aus Sicht der Bonitätswächter droht der Türkei eine anhaltende Wirtschaftskrise. Verwiesen wird auch auf die extremen Schwankungen der türkischen Landeswährung Lira. Das Rating ist maßgeblich dafür, zu welchen Bedingungen sich ein Staat Geld leihen kann. Ein schlechteres Kreditrating durch die Bonitätswächter bedeutet in der Regel auch steigende Kosten für die Verschuldung eines Landes.

S&P erklärte, man gehe von einer Rezession in der Türkei im nächsten Jahr aus, mit einer um 0,5 Prozent sinkenden Wirtschaftsleistung. In den Folgejahren werde es zur graduellen Erholung kommen. Die Inflation, derzeit bei 16 Prozent, steige bis auf 22 Prozent. Die türkische Lira hat seit Anfang des Jahres 38 Prozent an Wert verloren.

„Reduktion in der politischen Verlässlichkeit“

Die Agenturen brachten ihre Bedenken über die Unabhängigkeit der türkischen Notenbank zum Ausdruck und kritisierten halbherziges Vorgehen der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Moody's spricht in einer Mitteilung von einer „Reduktion in der politischen Verlässlichkeit“ in der Türkei. Ähnlich äußerte sich auch die Agentur Fitch.

Die Regierung Erdogans liegt mit der Regierung der USA von Präsident Donald Trump seit längerem im Clinch. Die USA werfen Ankara unter anderem vor, bei der Umgehung von Iran-Sanktionen zu helfen. Der Streit entbrannte öffentlich an dem unter Hausarrest stehenden US-Geistlichen Andrew Brunson. Die Türkei wirft ihm vor, an dem Putschversuch gegen Erdogan im Jahr 2016 beteiligt gewesen zu sein. Die USA halten ihn für unschuldig und drohten weitere Sanktionen an, sollte er nicht bald freigelassen werden.

Die US-Ratingagentur Fitch traf zwar keine Rating-Entscheidung, teilte aber mit, man betrachte die Maßnahmen der Türkei zur Krisenbekämpfung als nicht ausreichend.

Türkische Staatsanleihen lagen zuvor schon im Ramsch- oder Junkbereich, mit dem Ratingagenturen riskante Anlagen kennzeichnen. Inzwischen haben sich alle drei große Ratingagenturen der Welt kritisch über die Stabilität türkischer Anleihen geäußert. Moody's senkte seine Bewertung für die langfristigen Schulden des Landes von Ba2 auf Ba3 und den Ausblick auf „negativ“. S&P hat seine Bewertung zwar gesenkt, den Ausblick aber auf „stabil“ belassen.

15 Milliarden Dollar aus Katar reichen nicht

Die US-Ratingagentur Fitch traf zwar keine Rating-Entscheidung, teilte aber mit, man betrachte die Maßnahmen der Türkei zur Krisenbekämpfung als nicht ausreichend. Fitch bewertet die bisherigen Schritte der Türkei zur Bekämpfung der Lira-Krise als unbefriedigend: „Die unvollständige Antwort der Türkei auf die Abwertung der Lira dürfte für sich genommen wahrscheinlich die Währung und die Wirtschaft nicht nachhaltig stabilisieren.“ Es sei notwendig, die Glaubwürdigkeit und die Unabhängigkeit der Notenbank zu erhöhen und wirtschaftliche sowie finanzielle Ungleichgewichte zu reduzieren.

Zwar habe die Notenbank indirekt ihren effektiven Leitzins um 1,5 Prozentpunkte angehoben, indem sie Banken keine Finanzierung zum Hauptleitzins, sondern stattdessen nur noch zum höheren Übernacht-Zins angeboten habe. An den Märkten geht man laut den Bonitätswächtern aber davon aus, dass nur eine reguläre Leitzinserhöhung wieder Kapital ins Land locken kann.

Die 15 Milliarden Dollar schwere Investitionshilfe aus Katar habe zwar zur Stabilisierung der Lira beigetragen, hieß es bei Fitch weiter. Derartige Finanzspritzen reichten aber nicht aus, um den Bedarf der Türkei an ausländischen Geldern zu decken. Dieser liege für 2018 schätzungsweise bei 229 Milliarden Dollar – und übersteige damit die türkischen Devisenreserven bei weitem.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • War doch klar. Die Türkei hat ihre Chance auf Wohlstand wohl verspielt. Mit einem Diktator, der überall eingreifen und lenken will, gedeiht einfach die Wirtschaft nicht. Aber die Türkei hatte auch zuvor immer mindestens 10 Prozent der Bevölkerung unter der offiziellen Armutslinie. Die Verschwendungen der Vergangenheit waren auch nicht ohne, vollkommen sinnlose Militärausgaben, einseitige Förderung des Istanbuler Raums und unzulängliche Investitionen im Osten. Dazu noch der Investmentfonds des Militärs, der in den 1980er sich krude Wettbewerbsvorteile rausholte. Die Türkei ist nich arm an Nepotismus und Zwangsstrukturen, aber Erdogan setzt dem Ganzen die Krone auf, er gibt Geld aus, pumpt sich Geld, toleriert wildes Konsumieren von Menschen mit geringem Einkommen - hier wird eine Korrektur kommen und sie wird dieses Land hart treffen. Fragt sich nur, was die Reaktion von Erdogan sein wird. Er kann die Wirtschaft nicht kontrollieren und lenken. Er schafft zwar maßenhaft Artbeitsplätze für seine Anhänger, aber die entlassenen Menschen verfügen oft über die besseren Qualifikationen und ausgefeilte Erfahrung, so dass die Türkei immer stärker von Dilettanten im Wirtschaftsleben geprägt ist. Die normale Reaktion hierauf wäre den Niedriglohnsektor auszubauen und Armutindustrien aufzubauen. Doch andere Länder sind noch billiger haben besser Terms of Trade. Eigenltich müsste die Türkei sich jetzt nach Oben entwickeln, qualitativ zulegen, doch das wird so nicht gehen.

  • Wem gehören eigentlich die besagten Ratingagenturen? Mir kam neulich zu Ohren, dass sie von den US-Großbanken gegründet oder sogar gesteuert werden.

    Weiß dazu jemand mehr?



    Der Artikel jedenfalls gibt keine Auskunft.



    Auch dazu, dass Erdogan wenige Wochen nach der Betrugswahl die türkische Nationalbank seiner Ägide unterstellt hat, fehlt jede Info. Schade.



    Erdogans diktatorischer Kurs sollte zudem erwähnung im Artikel finden, meine ich.

    • @Jette Porz:

      Die größte Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) gehört den US Vermögensverwaltern Vanguard Group 20,2% und Blackrock 18,3%, den US Finanzdienstleistern State Street 11,7% und Fidelity Investments 10,6%. Weitere Eigentümer sind Banken wie die Deutsche Bank und JP Morgan und verschiedene andere Finanzdienstleister.

      Der Zweitgrößte Moody’s hat ähnliche Eigentümerstrukturen, Warren Buffet und die Vermögensverwalter Vanguard und Blackrock.

      Der Dritte im Bunde Fitch, gehört zu 100% der Hearst Corporation, ein US Medienkonglomerat.

      • @Sven Günther:

        Private westliche Firmen also, die völlig undemokratisch, mit ungleichen Maßstäben und in höchst intransparenter Weise über Wohl und Wehe der Volkswirtschaften dieser Welt entscheiden. Welche dann, wenn sie von den Agenturen abgewertet und damit kreditaufnahme- und zahlungsunfähig geworden sind, vom IWF strukturangepasst werden. Neokolonialismus at it’s best.



        Erhellend dazu die Abschnitte „Kritik“ und (kaum gezogenen) „Politische Konsequenzen“ im Wikipediaartikel „Ratingagentur“.

        • @Ruhig Blut:

          Wenn es in Wikipedia steht, muss es ja stimmen...

          • @Sven Günther:

            Muss es nicht. Die dortige Kritik ist aber gut mit Quellen belegt.

            • @Ruhig Blut:

              Solange die Europäer zu unfähig sind, eine eigene Ratingagentur aufzubauen, die über genügend Akzeptanz verfügt, werden die Regeln in den USA gemacht.

              Eine Alternative zum Ratingsystem kam auch noch nicht, die realistische Chancen hätte, sich durchzusetzen.

  • Als Begründung „Reduktion in der politischen Verlässlichkeit“ der Türkei auf Ramschniveau ist ja ok -

    In Sachen „Reduktion in der politischen Verlässlichkeit“ ist aber doch der ungeschlagene König Trump - ist jetzt der Dollar auch bald Ramschniveau?

    Angesichts der Wirtschaftskriege die da so im Raum stehen - Trumpkaesk.

  • Das kommt davon, wenn man sich internatinal isoliert...

  • Witzig, Staatsdefizit der Türkei beträgt 25% (kummuliert!) und Auslandsverschuldung ca 50% (jeweils vom BIP). Das sind international, auch verglichen mit dem Westen, glänzende Zahlen.

    • @agerwiese:

      Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit, die Mehrheit der türkischen Schulden notiert in EUR oder USD und daher kommen die Probleme für die Türkei mit dem Verfall der Lira.

      Beispiel: 30 jährige türkische Staatsanleihe über 1,5 Milliarden USD, Zinszahlung halbjährlich, Zinssatz 11, 875%.

      www.finanzen.net/a...38-tuerkei-anleihe

      Die Türkei muss jedes halbe Jahr Zinsen in Höhe von 89,06 Millionen USD zahlen, im Januar lag der Wechselkurs der Lira noch bei 1 USD/3,821 TRY, was 340.307.813 TRY entspricht, beim letzten Zahlungstermin im Juni lag der Kurs schon bei 1 USD/4,762 TRY, was 424.115.625 TRY entspricht. Mit dem Kurs von heute wären es 535.621.875 TYR, also ohne das die Türkei auch nur einen Dollar mehr Kredit hat, ist die Zinslast um 63,54% gestiegen, das ist weder im türkischen Haushalt eingepreist, noch kann Erdogan so seine angekündigten Infrastrukturprogramme verwirklichen.

      Tilgung ist übrigens auch in USD zu leisten...

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @agerwiese:

      Na dann ist ja allet paletti in Ihrem (und Receps) Wolkenkuckucksheim ...