Krebstherapie in Ostafrika: Dem Tod ausgeliefert
Das einzige Bestrahlungsgerät für Krebskranke im Afrika der Großen Seen steht in Uganda. Jetzt ist es kaputtgegangen.
D as Bein von Ester Fefeer ist auf Elefantengröße angeschwollen. Die 49-jährige Uganderin leidet an Krebs im Unterleib, der ihr so auf die Lymphknoten drückt, dass sich Flüssigkeit im Bein staut. „Der Druck und die Schmerzen sind manchmal unerträglich“, sagt sie.
Strahlentherapie helfe, die Schwellung abklingen zu lassen, damit sie wenigstens wieder an Krücken laufen kann. „Als ich in den TV-Nachrichten sah, dass die Maschine kaputt ist, habe ich angefangen zu beten“, sagt sie unter Tränen. „Jetzt kann mir nur noch Gott helfen.“
Fefeer, Mutter von sechs Kindern, ist eine von über 27.000 Krebspatienten, die jährlich im staatlichen Krankenhaus Mulago in Ugandas Hauptstadt Kampala bestrahlt werden. Doch jetzt ist die einzige Maschine dafür kaputt. Bis eine neue kommt, dauert es Jahre, verkündete Dr. Jackson Orem, Direktor des Krebszentrums. Das Problem: Da die gewaltige Maschine mit radioaktiver Strahlung operiert, benötigt sie einen strahlensicheren Bunker. Doch Mulago, Ugandas größtes Krankenhaus, wird derzeit umgebaut.
Das Krebsinstitut wird in einen neuen Flügel verlegt – ebenso der Bunker. Dieser muss von der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO in Wien abgesegnet werden. „Wir haben die Planung fertig und eine Firma muss jetzt mit dem Bau beauftragt werden“, erklärt Orem. Drei Firmen hätten sich beworben, und er verspricht, dass bis Mitte Mai der Vertrag abgeschlossen werden könne. Doch dann dauern Bau und Installation bis zu zwei Jahre.
2.000 Patienten auf der Warteliste
Als wäre dies nicht Skandal genug, erklärte jetzt Ugandas Atomenergierat dem Parlament, dass die Lizenz für die 21 Jahre alte, altersschwache Maschine bereits 2013 abgelaufen sei. Die radioaktiven Substanzen hätten zudem nach zehn Jahren erneuert werden müssen, was nicht geschah. Laut Polizei wurde radioaktives Material schon gestohlen. Auch die Entsorgung ist ein Problem. Das Gerät war eine Spende aus China – und dahin müsse es zurück, so Deo Sekyanzi, Chef des Atomenergierats.
All dies führt jetzt zu einem gewaltigen Aufschrei in der Bevölkerung. Ideen von Crowdfunding werden angestoßen. Rund 1,5 Millionen Euro kostet die neue Maschine, sagt Gesundheitsminister Elioda Tumwesigye und zeigt eine Quittung über eine Anzahlung an die IAEA von 2013 über 325.000 Euro. Das Budget für das Krebszentrum sei „astronomisch“ erhöht worden: Von umgerechnet 4,5 Millionen auf 10 Millionen Euro. Immerhin. Doch laut der Sprecherin des Krebsinstituts, Christine Mamulindwa, benötigt Uganda mindestens vier dieser Maschinen.
Denn nicht nur Ugander werden in Mulago bestrahlt. Aus dem Kongo, aus Ruanda, Burundi und dem Südsudan kommen Krebspatienten nach Kampala. Jetzt werden sie ins benachbarte Kenia oder gar nach Indien geschickt. Rund 2.000 stehen auf der Warteliste.
Chemotherapie kostet 100 Euro im Monat
Eine davon ist Fefeer mit dem geschwollenen Bein. Wenn ihre Schmerzen wieder unerträglich werden, ruft sie jetzt im Hospiz an. So auch an diesem Morgen, kurz nachdem sie im Fernsehen die Nachrichten gesehen hat. Doktor Steven Luboyera hat Notdienst und hetzt sofort los. Im Gepäck: eine 500-Mililiterflasche flüssiges Morphium, knallgrün eingefärbt. Fereer lächelt glücklich, als der Arzt ihr die Flasche überreicht. Fünf Milliliter alle vier Stunden helfen der Frau, die Schmerzen zu ertragen. Ugandas Hospiz stellt das Flüssigmorphium selbst her und verabreicht es kostenlos.
Die 81-jährige Hospizgründerin Anne Merriman rechnet damit, dass sich nun mehr Krebspatienten an das Hospiz wenden und dass das flüssige Morphium ihr einziges Mittel ist, das Sterben erträglich zu machen. Ohne Bestrahlung „werden noch viel mehr den Kampf gegen den Krebs verlieren“.
Eine andere Behandlung kann sich Ester Fereer nicht leisten. Für eine Chemotherapie müsste sie rund 100 Euro monatlich zahlen – unerschwinglich. „Die Reichen steigen ins Flugzeug nach Indien oder Europa und sterben in modernen Krankenhäusern“, sagt sie. „Leute wie ich sind zu arm, um in Würde zu sterben.“
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