Krebskranker Staatssekretär in Berlin: Kirchner soll irgendwie bleiben
Kann die umstrittene Entlassung des krebskranken Staatssekretärs für Verkehr noch vermieden werden? Grüne und Senat arbeiten an einer Lösung.
Vielleicht darf der krebskranke Staatssekretär Jens-Holger Kirchner doch Mitarbeiter der Senatsverwaltung für Umwelt und Verkehr unter Senatorin Regine Günther (parteilos, für die Grünen) bleiben. Senat und Grüne arbeiten an einer Lösung, die alle Beteiligte das Gesicht wahren lasse, hieß es am Sonntag aus Senatskreisen.
Am Mittwoch war bekannt geworden, dass Günther ihren Staatssekretär in den vorzeitigen Ruhestand schicken will. Grund: Kirchner ist an Krebs erkrankt; die Heilung dauert länger als zuerst gedacht. Günther steht in der Verkehrspolitik unter starkem politischem Druck; sie muss die Ziele des Radgesetzes umsetzen.
Dafür war inhaltlich der langjährige Pankower Stadtrat Kirchner (Grüne) zuständig. Dass der ausgewiesene Experte und Kenner der Berliner Bürokratie fehlt, ist vielfach zu spüren. Um ihre Verwaltung „wieder voll funktionsfähig zu machen“, wie Günther betont, soll Ingmar Streese Kirchners Posten übernehmen, ein Biologe aus dem Bundesverband der Verbraucherzentrale.
Doch die Entlassung, über die der Senat am Dienstag entscheiden muss, käme gegen den erklärten Willen Kirchners. Er könne im Frühjahr wieder voll einsteigen, hat er angekündigt; bis dahin wolle er, wenn gewünscht, in Teilzeit einige Aufgaben erledigen. Sein Arzt habe ihm explizit empfohlen, weiter zu arbeiten, um den Heilungsprozess nicht zu gefährden.
Die geplante Entlassung wurde von vielen Grünen-Mitgliedern als unmenschlich und politisch falsch verurteilt; auch stellten viele die verkehrspolitische Eignung seines geplanten Nachfolgers infrage. Die grüne Fraktions- und Parteiführung trägt Günthers Vorgehen hingegen mit. Doch der Druck war so groß, dass nun noch einmal nachverhandelt wird im Senat, wo sich auch viele von SPD und Linken eine andere Lösung wünschen würden.
Ein am Freitag kursierender Vorschlag der grünen Wirtschaftssenatorin Ramona Pop, den Nachfolger schlicht nicht als Staatssekretär einzustellen und Kirchner auf seinem Posten zu belassen, ist hingegen vom Tisch: Streese komme nur als Staatssekretär, hieß es am Sonntag. Die Versetzung Kirchners in den einstweiligen Ruhestand sei nicht vom Tisch, sagte Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek am Samstag zum RBB.
Montag muss alles geklärt sein
Allerdings äußerten Senatskreise auch den Wunsch, Kirchner in einer Position mit Verantwortung – sprich einem politischen Amt – zu halten. Es gibt offenbar die Bereitschaft, dafür zeitweilig eine Stelle zu schaffen und zu finanzieren, erfuhr die taz. Auch wird geprüft, ob es rechtlich möglich ist, eine Staatssekretärsposition lediglich befristet einzurichten. Die Zeit drängt: Spätestens Montag muss klar sein, was Sache ist, damit der Senat am Dienstag eine Entscheidung treffen kann.
Aus dem Haus von Günther hieß es am Sonntag: Die Senatorin führe „intensive Gespräche mit allen Beteiligten, wie mit dieser schwierigen und auch menschlich dramatischen Lage jetzt und in Zukunft umzugehen ist“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos