Krawalle in den Banlieues: Aux armes, citoyens
In den Banlieues gilt das republikanische Prinzip der Gleichheit nur bedingt. Daran hat sich nichts geändert.
PARIS taz Drei Wochen lang wüteten im Herbst 2005 tausende Jugendliche in hunderten von französischen Vorstädten. Mehr als 10.000 Autos wurden damals abgefackelt und zahlreiche öffentliche Einrichtungen wie Sporthallen und Schulen zerstört. Die Unruhen ausgelöst hatte der Tod von zwei Jugendlichen, die im Pariser Vorort Clichy-sous-Bois auf der Flucht vor der Polizei in einem Transformatorenhaus ums Leben gekommen waren. Die wütenden Reaktionen breiteten sich binnen weniger Tage aus.
Nicht nur Fachleuten war klar, dass dieser Wutausbruch die Folge einer sozialen, städtebaulichen und politischen Misere war. Die Banlieues ("Die gebannten Orte") sind Zonen, in denen das republikanische Prinzip der Gleichheit nur bedingt gilt. Besonders betroffen sind junge Erwachsene. In Clichy-sous-Bois etwa gibt es Straßenzüge, in denen jeder Zweite von ihnen arbeitslos ist.
Im Herbst 2005 war der heutige Präsident Nicolas Sarkozy noch Innenminister. Mit markigen Sprüchen wie "Ich werde das Gesindel wegkärchern" heizte er die Stimmung an. Zugleich signalisierte die konservative Regierung, dass sie die Ursachen der Krawalle verstanden habe. Sie versprach verstärktes Engagement für die Banlieues. Doch bei den Versprechen ist es geblieben.
Im Herbst 2005 waren die letzten Jugendjobs abgelaufen, die die vorausgegangene Mitte-links-Regierung geschaffen hatte. Das Ende dieses Arbeitsprogramms verstärkte die Jugendarbeitslosigkeit. Zugleich zeigten damals die Kürzungen der Subventionen für Sport- und Kulturinitiativen Wirkung in den Banlieues. Hinzu kam, dass die konservative Regierung die Nachbarschaftspolizeistellen geschlossen hatte. "Die Polizei ist nicht zum Fußballspielen da", argumentierte Sarkozy. An die Stelle der deeskalierend wirkenden Beamten traten schwer bewaffnete Sondereinsatzkräfte.
Im Oktober, zwei Jahre nach den letzten Unruhen, stellte der politisch unverdächtige Pariser Rechnungshof fest, dass die Stadtpolitik unverändert "unleserlich" und von "fragwürdiger Effizienz" sei. Die Bürgermeister der Banlieues-Gemeinden rund um Paris hatten sich schon zuvor darüber beklagt, dass die Regierung sie allein lasse.
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