Krankenhausbewegung in der Volksbühne: Politisches Theater als Verstärker
Die Streikenden von Charité und Vivantes sind zu Gast in der Volksbühne. Sie berichten von den tödlichen Folgen profitorientierter Krankenhäuser.
Das waren an diesem Dienstagvormittag drei Pflegerinnen und eine Hebamme von Vivantes, eine Intensivpflegerin der Charité sowie die Tochter einer Patientin, die auch aufgrund mangelnder Versorgung in einem landeseigenen Berliner Krankenhaus verstorben ist. Sechs Frauen, fünf davon seit 27 Tagen im Streik, und eine Botschaft: „Unser Verlangen nach mehr Personal rettet Menschen.“ Es sei nicht der Streik, der das Partientenwohl gefährdet, sondern der Normalzustand.
Dass die Gefahr, unterversorgt zu bleiben, zu warten, ob nur auf den Toilettengang oder auch auf lebensnotwendige Behandlung, real ist und nicht nur „gefühlt“, wie es die Krankenhaus-Manager (Ma-na-ger!) von Vivantes behaupten, machten die Pflegerinnen deutlich: Unterbesetzte Intensivstationen, wo ein Notfall den Ausfall der Versorgung für alle anderen bedeutet; Hebammen, die mehrere Geburten gleichzeitig betreuen; zur Eigensicherung festgeschnallte Patienten, weil eine Dauerwache nicht finanzierbar sei. Dass diese Zustände in einem reichen Land beschämend sind, auch das wurde deutlich.
Doch obwohl das Problem auf Profitmaximierung getrimmter Krankenhäuser eines ist, das potenziell jede:n betrifft, fällt der allgemeine Aufschrei, die Empörung über verhandlungsunwillige Geschäftsführungen – mehr bei Vivantes als der Charité – und nicht eingreifende Politiker*innen weiterhin mau aus. Der Auftritt war daher auch ein Hilferuf, ein „Mischt euch ein“. Dass die Volksbühne dafür als Verstärker fungiert, ist ein Fortschritt: Ein Theater, das sich seiner Wurzeln als politisches Theater mit gesellschaftlicher Verantwortung entsinnt, kann einen Unterschied machen.
Empfohlener externer Inhalt
Seit der Besetzung der Bühne vor vier Jahren von jungen Schauspielerinnen und Aktivist*innen lebt der Traum eines demokratisch organisierten Hauses, das Heimat für die politische Linke und gesellschaftliche Kämpfe ist. Die Besetzerguppe Staub zu Glitzer blieb dran und organisierte nun den Gastauftritt der Krankenhausbewegung. Auf der Kundgebung draußen sang Dirk von Lowtzow von Tocotronic über Solidarität. Der Anfang ist gemacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht rechnen
Habeck wirbt um Fachkräfte in Kenia
Gute Jobs, schlechtes Wetter