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Kranke und KassenHotline als letzte Anlaufstelle

In Corona-Fragen herrschte Verwirrung, Kassen lehnten ab, Dolmetscher fehlten. Die Unabhängige Patientenberatung legt ihre Jahresbilanz vor.

Impfen oder nicht impfen? Foto: Leon Kuegeler/imago

Berlin taz | Die 62-Jährige hatte eine Autoimmunerkrankung und große Angst vor einer Corona-Infektion. Aber ihr Hausarzt riet von einer Impfung gegen Corona ab und sagte, eine Impfung sei in ihrem Fall zu riskant. Die ratlose Patientin wandte sich damit an die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD).

Die Frau war eine von Tausenden Hilfesuchenden in Sachen Corona. Die „Vielstimmigkeit“ der Empfehlungen aus Politik, Wissenschaft und Impfkommission zu den Themen Impfung und Genesung habe während der Pandemie zu „Verstimmung und Verunsicherung“ bei Ratsuchenden geführt, rügte Thorben Krumwiede, Geschäftsführer der UPD, anlässlich der Vorstellung des Jahresberichts 2021 der Beratung am Donnerstag in Berlin. Er forderte angesichts der wieder steigenden Infektionszahlen: „Spätestens im Herbst brauchen wir eine verständliche und leicht zugängliche Informationskampagne.“

Stefan Schwartze, der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, sprach sich dafür aus, die regionalen Corona-Impfzentren über den Sommer auch bei derzeit geringem Andrang weiter zu erhalten. Jetzt alle Strukturen zurückzufahren und im Herbst wieder neu zu starten, sei nicht die richtige Lösung, sagte Schwartze.

Die gemeinnützige Patientenberatung UPD mit rund 130 Mit­ar­bei­te­r:in­nen ist eine Art Mischung aus Verbraucherzentrale und Sorgentelefon für das Gesundheitssystem, betreibt eine Hotline (08 00 011 77 22) und eine Website und gilt als Seismograf dafür, welche Probleme die Bür­ge­r:in­nen mit dem Gesundheitssystem haben. Im Jahre 2021 leisteten die Beschäftigten rund 140.000 Beratungen.

Das Küchenpersonal übersetzt

Schwartze nannte einige Dauerbaustellen. Dazu gehört der Zugang zur Psychotherapie. Die Hilfesuchenden warteten zu lange auf einen Therapieplatz, sagte Schwartze. Vor allem für Kinder und Jugendliche und in ländlichen Gebieten fehlten diese Behandlungsmöglichkeiten. Die Terminservice-Stellen der Krankenkassen vermittelten zwar Termine in Akutfällen, könnten aber nicht zu dauerhaften Therapieplätzen verhelfen, berichtete er.

In Krankenhäusern müssen manchmal das Küchenpersonal oder die Kinder übersetzen

Der Patientenbeauftragte rügte die Praxis mancher Krankenkassen, manche Anträge auf die Gewährung von Hilfsmitteln und Leistungen erst mal abzulehnen, den Widerspruch des Betroffenen abzuwarten und erst nach einem erfolgreichen Widerspruch zu zahlen. „Viele Menschen, die ihr Leben lang nach den Regeln gespielt haben, die gucken sich aber den Bescheid der Krankenkasse an und sagen, dann ist das wohl nicht die richtige Leistung für mich und die gehen dann nicht in den Widerspruch“, schilderte Schwartze.

Für Pa­ti­en­t:in­nen ohne Deutschkenntnisse fehlten zudem die Sprachmittler, sagte Krumwiede. Im Jahresbericht werden Fälle genannt, wo etwa das fremdsprachige Küchenpersonal oder der minderjährige Sohn zwischen Arzt und Patientin übersetzen müsse, bei schweren Diagnosen. Dolmetscher werden von den Krankenkassen nicht per se bezahlt.

Im Koalitionsvertrag der Ampelkoalition wird der Ausbau der Unabhängigen Patientenberatung angekündigt. Ein Gesetzentwurf dafür soll bereits im Herbst kommen, kündigte der Patientenbeauftragte Schwartze an.

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